Feine Familie
gemacht?«
»Aber nein, Mum, niemals. Nicht in all den Jahren, seit wir verheiratet sind. Kommt jeden Abend pünktlich zum Essen nach Hause, und wenn es nicht fertig ist, wird er richtig wütend, und ich ...«
»Verstehe«, sagte Emmelia, die Wichtigeres im Sinn hatte als die häuslichen Gewohnheiten eines Zwerges und seiner übergewichtigen Frau. »Wenn das so ist, täten Sie wohl besser daran, zur Polizei zu gehen und ihn als vermißt zu melden. Ich begreife nicht recht, warum Sie das nicht längst getan haben.« Rosie saß mit krampfhaft verschränkten Fingern da. »Das wollte ich nicht, Mum. Willy wird immer so wütend, wenn ich von mir aus was mache, ohne es ihm zu sagen.«
»Ich kann mir nicht recht vorstellen, wie er etwas dagegen haben könnte, wenn er gar nicht da ist, um Ihnen was zu sagen«, meinte Emmelia. »Also dann, gehen Sie auf die Polizeiwache und erstatten Sie Meldung.«
»Ja, Mum«, sagte Rosie und folgte Annie gehorsam in die Küche.
Sobald Emmelia wieder an ihrem Schreibtisch saß, versuchte sie, dieses deprimierende Gespräch zu verdrängen. Sie mußte alle Vorbereitungen für die Familienzusammenkunft treffen und außerdem noch entscheiden, wo sie stattfinden sollte. Der Richter, der Brigadegeneral und die holländische Verwandtschaft, die Van der Fleet-Petrefacts, hatten London vorgeschlagen, während Osbert, dem der Großteil des Petrefactschen Besitzes in Buscott und sehr viel Land in der Umgebung gehörte, eine panische, an Phobie grenzende Angst davor hatte, als im Ausland lebender Grundbesitzer angeprangert zu werden, sobald er auch nur einen Schritt aus seinem Revier tat. Aber für Emmelia gab es einen noch gewichtigeren Grand dafür, das Treffen in Buscott anzuberaumen. Das würde ihr nämlich die peinliche Mühe ersparen, die in der Mühle hergestellten Produkte in allen Einzelheiten zu beschreiben. An Ort und Stelle könnten sich alle mit eigenen Augen davon überzeugen, wie absolut unerläßlich es war, diesen Verräter Ronald dazu zu zwingen, Yapp zurückzupfeifen, bevor der Name Petrefact im öffentlichen Bewußtsein untrennbar mit Dildos, Happy Susishandgetriebenen männlichen Keuschheitsgürteln und französischen Kondomen verbunden war. Ein einziger Blick in die Fabrik würde genügen, um den Richter auf der Stelle zum Mörder werden zu lassen, während der Brigadegeneral seine fixe Idee von der Züchtung braungetupfter Wüstenrennmäuse auf der Stelle aufgeben würde. Nein, das Treffen mußte hier auf dem Familiensitz in Buscott abgehalten werden. In diesem Punkt würde sie sich durchsetzen. Und außerdem würde sie darauf bestehen, daß es am folgenden Wochenende stattfand. Da konnte es wenigstens keine Ausreden geben. Kein Richter sprach am Samstag oder Sonntag ein Urteil. In der wohlvertrauten, aseptischen Umgebung seiner Universitätswohnung in Kloone zog Waiden Yapp sich aus und nahm ein mit Desinfektionsmittel angereichertes Bad. Der Rückweg von Buscott war grauenvoll gewesen. Erst mußte er zwei Meilen laufen, um an einen gefüllten Reservekanister zu gelangen, und dann mußte er sich von dem Tankstellenmenschen, der ihn zu seinem Wagen zurückfuhr, diverse peinliche Bemerkungen über Gerüche anhören, die sich zuerst auf seine Klamotten und dann auf den alten Vauxhall bezogen. Yapp hatte ihm zu erklären versucht, daß er erst kürzlich eine Kläranlage besichtigt hätte, worauf der Mann meinte, der Gestank erinnere ihn irgendwie an den Krieg. Und nach einigen Minuten des Schweigens hatte er sich recht treffend über die Ausdünstungen der Gefallenen bei Monte Cassino ausgelassen, wo er gekämpft hatte. Aber zumindest hatte er Yapp mit so viel Benzin versorgt, daß dieser bis zur Tankstelle kommen, dort tanken und ohne weitere Unterbrechung nach Kloone zurückfahren konnte. Während er jetzt in seinem antiseptischen Bad lag, überlegte er die nächsten Schritte. Er mußte sich auf alle Fälle um seine Kleidung kümmern, bevor am nächsten Morgen die Putzfrau kam, und ebenso dringend mußte er den Kofferraum des alten Vauxhall säubern. Aber auch weniger Konkretes gab es zu bedenken, und nachdem er sich abgetrocknet hatte, in saubere Sachen geschlüpft war, die Willyverseuchten in einen großen Abfallsack gestopft und diesen fest verschnürt hatte, richtete sich sein Sinnen und Trachten auf Essen und Doris. Er bereitete sich eine Schüssel mit Müsli, da dies die Vorzüge vegetarischer und gleichzeitig nahrhafter Kost in sich vereinte, setzte sich ans
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