Feine Familie
Ergebnisse der Gerichtsmediziner lagen bereits bei Inspektor Garnet, dessen Meinung hinsichtlich Rosies Gerissenheit durch die Entdeckung, daß das Blut auf dem Hemd definitiv mit dem ihres ermordeten Mannes übereinstimmte, empfindlich erschüttert worden war. Zum Sergeant, der fest darauf beharrte, daß Rosie Coppett dumm sei wie Bohnenstroh, sagte er verärgert: »Eher wie Schifferscheiße. Anders kann ich eine Mörderin, die so ein Beweisstück auf der Wäscheleine herumhängen läßt, beim besten Willen nicht bezeichnen, es sei denn, sie legt es darauf an, das Verbrechen diesem Bastard Yapp in die Schuhe zu schieben. In diesem Fall ist sie heute vielleicht etwas kooperativer.«
Nachdem er so seine Vorurteile zurechtgerückt hatte, machte sich der Inspektor erneut daran, Rosie zu verhören – oder besser, sie zu programmieren.
»Also, meine Liebe«, sagte er, »wir haben Ihren teuren Professor Yapp und wissen mit absoluter Sicherheit, daß die Leiche Ihres Mannes im Kofferraum seines Wagens lag. Tatsache ist, daß Willy noch nicht tot war, als Yapp ihn hineinlegte. Er hat da drinnen noch eine Menge Blut verloren, und tote Körper bluten nicht so stark. Könnten Sie mir jetzt vielleicht sagen, warum Sie sein Hemd gewaschen haben?«
»Es war voller Blut«, sagte Rosie.
»Willys, Mrs. Coppett, Willys Blut. Das haben wir einwandfrei festgestellt.«
Rosie starrte ihn an. Mit dem Verstand begriff sie zwar nichts, dafür aber mit dem Gefühl. Ihre Trauer verwandelte sich in Zorn. »Das habe ich nicht gewußt. Sonst hätte ich es nicht gewaschen.«
»Was hätten Sie denn dann getan, Mrs. Coppett?«
»Ihn umgebracht«, entgegnete Rosie. »Mit dem Fleischmesser.«
Innerlich lächelte der Inspektor, freilich ohne eine Miene zu verziehen. Genau das hatte er hören wollen. »Aber Sie haben es nicht getan. Sie haben es nicht gewußt, weil er es Ihnen nicht gesagt hat. Was ist nun an jenem Abend geschehen, an dem er mit blutverschmiertem Hemd nach Hause kam?« Rosie gab sich alle Mühe, sich zu erinnern. Es fiel ihr ziemlich schwer. Sie versuchte, sich die Szene wieder ins Gedächtnis zu rufen, aber die Küche war so lange ihr Zuhause gewesen, der Mittelpunkt ihres Lebens, der Ort, an dem sie kochte und ihre Heftchen las und Willy jeden Tag das Abendessen richtete, wo Hektors Körbchen in der Ecke stand und sie ihre Ringerbilder aufhängte, weil ihre Mutter ihr erzählt hatte, ihr Vater sei Ringer gewesen, und seinen Namen hatte sie zwar vergessen, aber vielleicht war einer von ihnen ihr Vater. Und jetzt war ihr das alles kaputtgemacht worden von einem Mann, der so getan hatte, als er sie mögen, und um den sie sich gekümmert hatte, als er war und in der ganzen Zeit, nachdem er Willy ermordet und sich die Hände aufgeschnitten hatte. An diese Einzelheit konnte sie sich trotz aller Verwirrung erinnern. »Er hat sich die Hände aufgeschnitten, soso. Am selben Abend, an dem er Blut auf seinem Hemd hatte.« Rosie empfand das Interesse des Inspektors als wohltuend. Es tat ihr gut, jemanden zu haben, der ihr das Denken in dieser verworrenen Angelegenheit abnahm. »Ja, und sein Mantel war ganz naß. Ich sagte noch, er würde sich erkälten, und so war es dann auch. Vier Tage lag er im Bett. Ich habe ihm das Essen aufs Zimmer gebracht.«
Den Impuls zu fragen, was sie ihm noch aufs Zimmer gebracht habe, unterdrückte Inspektor Garnet. Solange sie nur weiterredete, würde es ihm schon gelingen, der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Und wenn sie dann alles ausgespuckt hattewürde er die Nachbarn ins Feld führen, die sie in Yapps Armen gesehen hatten, und Mr. Clebb, der fest davon überzeugt war, beim abendlichen Spaziergang mit seinem Hund beobachtet zu haben, wie sie den Penis dieses dreckigen Schweins massierte. Rosie redete weiter, und mit jedem Wort, das sie sagte, und jedem Wink des Inspektors in die Richtung, in die er sie haben wollte, verlieh ihre Phantasie, beflügelt durch die vielen im Laufe der Zeit verdauten Heftchenromane, den Tatsachen einen neuen Glanz. Ganz besonders interessierte den Inspektor ihr Bericht über Yapps Ankunft und seine Hartnäckigkeit, mit der er Extras gefordert hatte. Nachdem er ihr behutsam entlockt hatte, was Extras waren, und ihr dann eingeredet hatte, daß Yapp ausdrücklich gesagt habe, daß er mit ihr schlafen wolle, war er vollauf zufrieden. Er hatte ein denkbar einleuchtendes Motiv für den Mord und war fest davon überzeugt, daß Rosie mit ihrer mitleiderregenden Art, die keinen
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