Feine Familie
Und so klang sein Gestöhn recht echt, als der erste Streifenwagen mit quietschenden Reifen draußen anhielt. »Hat es mir ordentlich gegeben und ist dann abgehauen«, raunte er dem Polizisten zu, der ihn fand. »Kann nicht weit gekommen sein. Großer Kerl mit nassen Klamotten. Klatschnaß.«
Weitere Streifenwagen trafen ein, Sprechfunkgeräte knackten, und in einiger Entfernung heulten Sirenen. Die Jagd auf Waiden Yapp lief auf vollen Touren. Fünf Minuten später war sie vorbei. Man hatte Yapp an einer Bushaltestelle aufgegriffen, wo er einem Busfahrer klarzumachen versuchte, daß Angestellte des öffentlichen Verkehrsdienstes nicht das Recht hätten, zahlenden Bürgern die Mitnahme zu verweigern, und erst recht nicht, sie triefende Wäschesäcke zu schimpfen. Man drehte ihm die Arme auf den Rücken und legte ihm Handschellen an, forderte ihn aufwiderstandslos mitzukommen, und schob ihn auf den Rücksitz eines Streifenwagens, der dann mit unnötig hoher Geschwindigkeit davonbrauste.
Der Alptraum hatte begonnen.
Er ging mit unbarmherziger Effizienz und himmelschreiender Verkennung der wahren Tatsachen weiter. Binnen kürzester Zeit hatten gerichtsmedizinische Experten den Vauxhall noch weiter auseinandergenommen, nachdem ihre Aufmerksamkeit durch ungewöhnliche Mengen Desinfektionsmittel im Kofferraum auf diesen Teil des Wagens gelenkt worden war. Dies hatte jedoch, wie sie jetzt erklärten, nicht den schlüssigen Nachweis verhindern können, daß der Kofferraum noch vor kurzem eine Leiche beherbergt hatte. Yapps Wohnräume in der Universität lieferten weiteres Beweismaterial. Ein Paar verdreckter Schuhe und ein Paar Socken wurden zum Zweck einer Bodenanalyse mitgenommen, und nachdem die Fachleute Yapps besamte Unterhose im Koffer entdeckt hatten, beschlagnahmten sie auch sämtliche andere Kleidungsstücke und nahmen sie mit ins Labor.
Während dieser ganzen Zeit saß Yapp auf der Polizeiwache von Kloone und beharrte auf seinem Recht, insbesondere auf dem Recht, seinen Anwalt anzurufen.
»Alles zu seiner Zeit«, sagte der Kriminalinspektor und notierte sich, daß Yapp gar nicht gefragt hatte, warum er verhaftet worden sei. Als Yapp endlich telefonieren durfte, wurde das Gespräch aufgezeichnet. Gleichzeitig hörten der Inspektor, zwei Sergeants und ein Polizist in einem anderen Raum die Unterhaltung mit, um später das Gehörte bestätigen zu können, da das Tonband möglicherweise nicht als Beweismittel anerkannt wurde. Es war charakteristisch für Yapp, daß er seinen Rechtsanwalt, einen Mr. Rubicond, zumeist in Fällen konsultiert hatte, in denen es um die Behinderung studentischer Protestmärsche durch die Polizei ging. Da sich die Studenten bei einer dieser Gelegenheiten strikt zu marschieren geweigert hatten und demzufolge die Polizei niemand belästigen konntewappnete sich Mr. Rubicond jedesmal mit Skepsis, wenn Yapp anrief, um seine Dienste in Anspruch zu nehmen. »Was sind Sie?« fragte er.
»Verhaftet«, sagte Yapp.
»Und was wirft man Ihnen vor?«
»Mord«, sagte Yapp, wobei er die Stimme dämpfte, was sich im Nebenraum bedrohlich anhörte.
»Mord? Haben Sie ›Mord‹ gesagt?« fragte Mr. Rubicond ungläubig. »Wen sollen Sie denn ermordet haben?«
»Eine Person restringierter Größe namens Mr. William Coppett, zuletzt wohnhaft in der Rabbitry Road 9, Buscott ...«
»Was für eine Person?« wollte Mr. Rubicond wissen. »Eine Person restringierter Größe, unzivilisiert ausgedrückt, einen Zwerg.«
»Einen Zwerg?«
»Das habe ich doch gesagt, oder?« knirschte Yapp, dem die Begriffsstutzigkeit seines juristischen Beraters langsam auf die Nerven ging.
»Ich dachte mir schon, daß Sie das gesagt haben. Ich wollte mich nur vergewissern. Ich nehme an, daß das nicht stimmt.«
»Doch«, sagte Yapp.
»Wenn das so ist, kann ich wohl wenig für Sie tun«, meinte Mr. Rubicond, »es sei denn, Sie sind bereit, sich schuldig zu bekennen. Wir können dann immer noch versuchen, auf verminderte Zurechnungsfähigkeit ...«
»Ich rede nicht davon, daß ich ihn ermordet habe. Ich habe nur bestätigt, daß ich gesagt habe, er sei ein Zwerg.«
»Schon gut. Und jetzt sagen Sie am besten gar nichts mehr, bis ich bei Ihnen bin. Man hat Sie doch sicher auf die Hauptwache gebracht?«
»Ja«, sagte Yapp und legte auf. Als Mr. Rubicond eintrafhatte man Yapp längst wieder in den Streifenwagen verfrachtet, der sich inzwischen auf dem Weg nach Buscott befand. Die Abschrift seines Telefongesprächs und die
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