Feine Familie
glaube«, sagte er, nachdem Yapp offiziell des Mordes an Mr. William Coppett angeklagt und in eine Zelle gesteckt worden war. »Er kann sich nicht mehr genau daran erinnern, wo die Hecke oder das Gatter oder auch nur die verdammte Straße war. Wirklich grandios. Zumindest ist damit die Frau entlastet. Eigentlich könnten wir sie laufenlassen.« Während Yapp in seiner Zelle saß und über die Niedertracht der Petrefacts nachdachte, die so ohne weiteres bereit waren, das Leben eines Perg zu opfern, um ihren kostbaren Ruf zu schützen, holte man Rosie aus ihrer Zelle und erklärte ihr, daß sie frei sei.
Doch es bedeutete ihr nichts. Jetzt, wo sie keinen Willy mehr hatte, um den sie sich kümmern mußte, würde sie nie wieder so etwas wie Freiheit empfinden.
Kapitel 21
Emmelia ahnte nichts von diesen Entwicklungen. Zum einen war sie aufgrund ihrer Zurückgezogenheit ohnehin nicht über den Klatsch in Buscott informiert, zum anderen war sie vollauf mit den Vorbereitungen für das Familientreffen beschäftigt. Sie und Annie hatten mit dem Herrichten der Schlafzimmer alle Hände voll zu tun. Sie klopften Matratzen, lüfteten Bettzeug aus, und außerdem waren auch noch die Schrullen und Eigenheiten jedes einzelnen Petrefact zu bedenken. Der Richter hatte ein besonders breites Gebiß, so daß er ein entsprechend großes Glas auf dem Nachttisch benötigte; der Brigadegeneral legte größten Wert auf eine Karaffe mit Malzwhisky auf dem Nachttisch und einen Deckel für den Nachttopf, nachdem vor einiger Zeit eine preisgekrönte und unglaublicherweise trächtige Wüstenrennmaus in so einem Gefäß ertrunken war; die Van der Fleet-Petrefacts weigerten sich strikt, in einem der oberen Schlafzimmer zu nächtigen, nachdem ihnen das eigene Haus über dem Kopf abgebrannt war, so daß man sie unten im kleinen Salon einquartieren mußte. Und dann hatte zu Emmelias großem Mißbehagen auch noch Fiona völlig unerwartet aus Korfu telegraphiert, daß sie mit ihrer Lebensgefährtin Leslie herüberfliegen würde, weil diese es nicht erwarten konnte, endlich ihre ganze Verwandtschaft kennenzulernen. Emmelia empfand es als äußerst bedenklich, alle gleichzeitig unter einem Dach unterzubringen. Der Richter hatte so heftige Ansichten über gleichgeschlechtliche Beziehungen, daß er einmal einen armen Einbrecher, der das Pech hatte, Warm zu heißen, zu einer unverhältnismäßig langen Haftstrafe verdonnert hatte, die in zweiter Instanz sehr zu seinem Ärger wieder aufgehoben wurde. Nein, es wäre schon das beste, wenn man von Fiona und Leslie so wenig wie möglich zu sehen bekäme. Sie konnten ja bei Osbert in der Old Hall wohnen.
Während Emmelia alle Vorbereitungen überwachte und ein paar tüchtige Frauen aus der Fabrik als Hilfskräfte anstellte, wanderten ihre Gedanken immer wieder zu ihrem niederträchtigen Bruder Ronald. In einem sehr beherrscht abgefaßten Brief hatte sie ihn zu dem Familientreffen eingeladen und sich in ihrer Verzweiflung sogar zu der Feststellung hinreißen lassen, daß es Sinn und Zweck dieser Versammlung sei, über die Zukunft der Mühle nachzudenken (was stimmte) und über die mögliche Bereitschaft der Familie zu diskutieren, ihre Anteile an diesem Unternehmen zu verkaufen (was nicht stimmte). Lord Petrefact hatte nicht geantwortet, doch das hatte Emmelia auch nicht erwartet. Wenn er überhaupt kam, dann unangemeldet, um das Schauspiel zu genießen, das ihm das Mißfallen seiner Verwandten bereiten würde. Er würde sich königlich an ihrer Empörung weiden, daß der Name Petrefact unziemlich an die Öffentlichkeit gezerrt und im Rampenlicht stehen würde, wenn bekannt wurde, daß die Familie eine Sexartikelfabrik betrieb. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, wie sehr er eine solche Situation goutieren würde. Emmelia sollte recht behalten. Lord Petrefact hatte beschlossen, dem Treffen beizuwohnen. Ihr Brief hatte ihm Appetit auf Familienzwistigkeiten gemacht. Nichts bereitete ihm größeres Vergnügen, und ihre Mitteilung, daß seine Verwandten möglicherweise bereit waren, ihre Anteile an der Mühle zu verkaufen, wertete er nicht etwa als Tatsache, sondern als Indiz dafür, daß sie ihn bei dem Treffen dabeihaben wollten; sicher wollten sie ihn mit vereinten Kräften dazu zwingen, Yapps anscheinend höchst beunruhigenden Aktivitäten in Buscott Einhalt zu gebieten. Lord Petrefact freute sich schon auf das Spektakel. Er brauchte nichts anderes zu tun, als ruhig dazusitzen, während sie wie Hyänen über
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