Feine Milde
Schlüsse zu ziehen. Was ist mit diesem Fahrradhändler, dem das Auto gehört?«
Van Appeldorn hob bedauernd die Hände. »Ich kann noch mal nachhaken, wenn du willst, aber die lieben Kollegen in Nimwegen werden nicht gerade begeistert sein. Die wissen schon, was sie zu tun haben.«
Siegelkötter erhob sich, stand da, die Fingerspitzen auf dem Schreibtisch. »Sie wissen, daß ich seit geraumer Zeit in einer Kommission arbeite, die sich mit der Verbesserung der grenzüberschreitenden polizeilichen Arbeit befaßt. Ich verfüge also über die allerbesten Kontakte. Aus diesem Grund möchte ich in der Sache Kinderhandel persönlich ermitteln.« Er lächelte professionell. »Betrachten Sie mich also als Kollegen, und vergessen Sie mal für eine Weile den Vorgesetzten.«
Toppe und van Appeldorn tauschten einen unergründlichen Blick.
Schon an der Tür meinte Siegelkötter: »Ansonsten leitet wie immer der Hauptkommissar die ganze Sache. Das mit Ihrem restlichen Urlaub verrechnen wir schon irgendwie. Selbstverständlich haben Sie freie Hand bei der Einteilung des Teams, und vergessen Sie nicht«, er deutete eine leichte Verbeugung an, »auch ich gehöre dazu.«
Jetzt stand Toppe auf. »Ganz so einfach ist das nicht, Herr Siegelkötter. Ich habe zwei Kinder, die im Augenblick auf mich angewiesen sind. Ihre Mutter ist noch im Urlaub.«
»Ich erwarte, daß Sie für dieses Problem eine Lösung finden«, schnappte Stasi in gewohntem Ton, besann sich dann aber auf seine neue Rolle. »Wie ist es denn, wenn ich die Kollegin Steendijk noch für eine Woche freistelle? Sie kann die Kinderbetreuung übernehmen.«
»Das kommt überhaupt nicht in Frage!« sagte Toppe bestimmt.
Siegelkötter drückte die Klinke herunter. »Ihre privaten Probleme gehören wohl kaum hierher, Herr Toppe. Sie haben vierzig Minuten Zeit, sie zu lösen, dann erwarte ich Sie auf der Pressekonferenz.«
»Da geht er hin, der liebe Kollege«, murmelte Heinrichs.
Astrid kochte. »Die alte Ratte! Ich hätt’s von mir aus angeboten, Helmut, wenn der das jetzt nicht gesagt hätte.«
»Blödsinn!« fuhr Toppe ihr über den Mund. »Es sind meine Kinder und nicht deine. Was hast du damit zu tun?«
Astrid zuckte zusammen und schaute weg.
»Können die Jungs nicht für ein paar Tage bei mir zu Hause wohnen?« bemühte sich Heinrichs schnell. »Meine Frau sagt bestimmt nicht nein.«
»Soll das ’n Witz sein?« kam es gereizt von van Appeldorn. »Wie alt sind die Blagen eigentlich? Die kommen doch wohl alleine klar!«
Was wußte Norbert schon von Halbwüchsigen? Seine Mädchen waren noch klein und pflegeleicht. In ein paar Jahren war’s dann an Toppe, müde zu grinsen.
»Sie müssen wohl allein klar kommen, aber vielleicht können sie ja wenigstens bei Oma essen.« Ihm war mulmig bei dem Gedanken, seine frühere Schwiegermutter um Hilfe bitten zu müssen. Sie hatte ihn nie leiden können und ihm sein Eheleben nicht gerade versüßt mit ihrer Neugier und dem Gezerre um die Liebe ihrer einzigen Tochter. Daß ihr Mann zum Pflegefall geworden und sie jetzt quasi immer ans Haus gefesselt war, hatte sie noch unausstehlicher gemacht.
Astrid hatte Toppes Worte inzwischen verdaut. Sie nahm seine Hand. »Solange du bei der Pressekonferenz bist, könnte ich doch kurz nach Hause fahren und wenigstens schon mal das Auto ausräumen.«
»Untersteh dich!«
Sie lachte und küßte ihn auf den Mund. »Keine Sorge, ich lasse die ganze Wäsche für dich liegen.«
7
Im Klassenraum der alten Liebfrauenschule gewachster Parkettboden, in die Wand eingelassene Schränke aus dunklem Holz, an den hohen Fenstern blaßblaue, verschossene Vorhänge. Ein Geruch von feuchter Kreide, Bohnerwachs und warmem, lebendigem Staub. Die Fenster und die Tür zum Gang waren weit geöffnet. Es war immer noch heiß, aber ein flackeriger Wind wirbelte das Papier auf den Tischen immer wieder hoch. Die drei dunklen Kinder, die über ihren Aufgaben saßen, beschwerten die unruhigen Blätter mit ihren Mäppchen und Radiergummis.
Heiderose Jansen stand leise auf und ließ, eine nach der anderen, die grauen Jalousien ein Stück herunter. Der Wind blieb jetzt draußen, die Nachmittagssonne zeichnete goldene Streifenmuster auf den Boden. Merlin, ihr fast drei Jahre alter Sohn, robbte greinend hinter ihr her von Fenster zu Fenster und klammerte sich an ihre Knöchel. Als sie sich wieder auf den Stuhl setzte, biß er ihr in die Wade. Sie hockte sich zu ihm und nahm ihn in die Arme. »Nur noch ein paar
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