Feine Milde
Minuten, Schätzlein, dann können wir nach Hause und spielen, ja?«
Ihre beiden älteren Kinder waren mit Freunden zum Schwimmen im Sternbuschbad, aber Merlin hatte sie wie immer mitgenommen. Heute war er ein bißchen schwierig, hatte gestört und ständig zum Klo gemußt – es konnte nur an der Hitze liegen. Der Kleine rollte sich auf ihren Füßen zusammen, schob den Daumen in den Mund und rieb sich mit einem Stoffetzen über die Nase, einem alten Frotteehandtuch, das irgendwann einmal rosa gewesen war.
Ulrike Schnackers, die neben der Jansen saß, beugte sich hinunter und tätschelte seinen Hinterkopf. Der Junge spuckte ihr auf die Hand. Seufzend zog Heiderose ein Taschentuch aus dem Rock und reichte es ihrer Freundin.
Die Schnackers, eine ältliche Sozialpädagogin, die hier an der Grundschule den Vorschulkindergarten leitete, hatte vor ein paar Jahren die Idee zu diesem Sprachkurs gehabt, und seitdem unterrichteten die beiden Frauen jeden Montagnachmittag, meist auch in den Ferien, die türkischen und kurdischen Kinder der 4. Klassen, die immer noch Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache hatten. Normalerweise war der Kurs gut besucht, aber heute waren nur drei Kinder gekommen. Wen wunderte das, bei diesem Wetter? Eine Stunde lang hatten sie im Rollenspiel Sprechpraxis geübt, jetzt saßen Amneh, Ferrat und Ahmed bei den schriftlichen Übungen, und die beiden Gründungsmitglieder der MEILE e.V. hatten endlich Zeit, sich über das zu unterhalten, was besonders Heiderose Jansen auf der Seele brannte.
»Ich ziehe das durch, das kannst du mir glauben. Von denen lasse ich mir nicht alles kaputt machen!«
Ulrike Schnackers fuhr sich durch die griesen Fusselhaare und nickte unglücklich. »Ich weiß auch nicht. man müßte wirklich.«
»Ja! Wir haben uns überfahren lassen von diesen Typen. Die haben alles an sich gerissen, ohne daß wir was gemerkt haben. Die sind doch bloß alle auf ’nem Egotrip, denen geht’s doch nur um Publicity für sich selbst. Die Salzmann-Unkrig, dieser grinsende Japaner, und der Müller ist auch so ein Kuckucksei. Ich darf gar nicht dran denken, daß ich den damals auch gewählt habe! Das hat doch alles mit unserer ursprünglichen Idee nichts mehr zu tun. Wir machen die Drecksarbeit, und die sahnen ab.«
»Ach, Drecksarbeit«, sagte die Schnackers in ihrem knatschigen Ton. »Wir haben doch echt was erreicht. Guck dir nur die Kinder hier an, und die Gewalt auf dem Schulhof hat auch deutlich abgenommen. Und der Kontakt zu den türkischen Eltern, die Patenschaften, die wir für die Familien übernommen haben.«
»Ach ja?« keifte Heiderose Jansen mit unterdrückter Stimme. »Patenschaften? Es gibt doch nur noch vier!«
»Das kostet ja auch eine Menge Zeit«, jammerte die Schnackers. »Ich habe ja auch zwei.«
»Ich weiß. Schließlich habe ich selbst eine. Und die vierte hat der Kalle Krüger, aber der wird auch immer unzuverlässiger.« Heideroses Augen blitzten. »Dem müssen wir bei Gelegenheit mal auf die Füße treten. Ich kann es nicht ab, wenn Leute keine Verantwortung übernehmen.«
Merlin krabbelte auf ihren Schoß, schob ihre graue Bluse hoch, schnappte nach einer Brustwarze und fing an zu saugen.
»Wir müssen uns wieder auf unsere eigentlichen Ziele besinnen«, fuhr die Jansen fort, nachdem sie das Kind bequem in ihren Armen gebettet hatte. »Wieder mehr aktive Mitglieder, verstehst du? Und wenn’s nur mit der Brechstange geht! UNICEF-Schule«, schnaubte sie. »Hast du je ein Konzept dafür gesehen?«
»So weit ist das doch noch gar nicht gediehen«, antwortete die Schnackers im Frageton.
»Ach komm! Du weißt doch genauso gut wie ich, worauf das hinausläuft: eine noble Privatanstalt für die Japanerkinder von Fuji, die jetzt noch in Düsseldorf zur Schule müssen, und vielleicht noch für ein paar andere besonders betuchte. Und unsere Sorgenkinder«, sie ließ den Blick über die drei schwarzen Lockenköpfe schweifen, »die haben keine Chance da reinzukommen.«
»Das müssen wir einfach irgendwie durchsetzen«, quäkte Ulrike Schnackers.
»Wie denn? Kannst du mir mal sagen, wovon die das Schulgeld bezahlen sollen, he?«
»Wir könnten Sponsoren finden«, meinte die andere zögerlich.
»Sponsoren! Damit hat der ganze Mist doch angefangen. Nein, glaub mir, ich gucke nicht zu, wie unsere Idee den Bach runtergeht.«
Heiderose Jansen schob das Kind auf die andere Schoßseite und beugte sich zu ihrer großen Korbtasche hinunter.
»Ich habe unsere Satzung
Weitere Kostenlose Bücher