Feine Milde
abholen. Die Ersatzwindeln, die in der Tasche lagen, scheinen kein deutsches Fabrikat zu sein. Das blaue Gummitier ist ’Made in Taiwan’. Die beiden Schnuller, einer blau, einer gelb, haben in der Mitte einen kyrillischen Namenszug. Weiter bin ich leider noch nicht.«
Er stand auf und fing an, die Fotos und Blätter zusammenzuschieben.
»Kyrillisch …« sagte Siegelkötter zögernd. »Kyrillisch … riecht das nicht stark nach illegalem Kinderhandel mit dem Ostblock?«
Niemand reagierte.
Toppe rollte einen Kuli zwischen den Handflächen hin und her. »Der Motor geht kaputt, der Fahrer läuft los, um zu telefonieren, damit ihn jemand abholt oder abschleppt. Ist er danach wieder zum Wagen zurückgegangen?«
»Wieso hat er die Kinder nicht mitgenommen?« dachte Astrid laut.
»Und was hat Günthers Unfall damit zu tun?« kam es von Heinrichs.
Jetzt regte sich auch van Appeldorn. »Genau das ist die Frage!« Er nahm seinen Zeitplan zur Hand. »Um 18.14 Uhr ist Opgenoorths Anruf bei der Leitstelle eingegangen. Wenn man die Fahrzeit rechnet, das Hickhack mit Frau Tenbuckelt, muß er Günther so zwischen 18.05 Uhr und 18.10 Uhr gefunden haben. Außerdem wissen wir, daß der Holländer eine halbe Stunde vorher um Hilfe telefoniert hat, also gegen 17.45 Uhr. Zu Fuß brauchte er vom Kartenspielerweg bis zum Haus Tenbuckelt ungefähr fünfzehn Minuten. Sein Wagen ist also gegen 17.30 Uhr liegengeblieben.«
»Da waren die Kinder schon tot«, sagte Astrid, »oder zumindest schon in einem lebensbedrohlichen Zustand.« Ihre Sonnenbräune paßte nicht zu der Müdigkeit in ihrem Gesicht.
»Genau das hat den Fahrer in Panik versetzt«, spann van Appeldorn weiter. »Zwei tote Kinder konnte er ja wohl schlecht mit zum Telefonieren nehmen. Er ist einfach abgehauen, hat einen Kumpel angerufen und sich abholen lassen.«
Heinrichs hatte sich inzwischen wieder hingesetzt. »Ich frage das noch mal«, sagte er, und in seinen Augen war jetzt keine Beklommenheit mehr. »Was ist, wenn Günther die beiden toten Kinder entdeckt hat? Der Holländer ruft einen Kumpel in Kleve an, und der erledigt das Problem, indem er Günther über den Haufen fährt.«
»Stop!« rief Berns. »Das Auto, das Günther überfahren hat, kam aus Richtung Grafwegen. Um einen Kumpel in Grafwegen anzurufen, brauchte er keine Vorwahl zu wählen.«
Van Appeldorn winkte ab. »Quark! Der kann hin und her gekurvt sein. Aber viel wichtiger, Günther wird doch wohl kaum die toten Kinder entdeckt und dann seelenruhig bei dem Auto gewartet haben, bis ihn jemand umfährt.«
»Es könnten doch zwei Leute im Auto gewesen sein«, meinte Toppe, »und einer ist bei Günther geblieben, bis der andere zurückkam.«
»Wie auch immer«, sagte Astrid, »vom Zeitplan her könnte der Holländer zumindest Zeuge des Unfalls sein.«
Stasi schob seinen Siegelring bis zum Fingernagel hoch und wieder runter; auf und ab, auf und ab.
»Eins ist jedenfalls sicher«, meinte van Appeldorn schließlich, »wenn der Holländer bei seinem Auto war, den Unfall gesehen hat oder daran beteiligt war, dann ist er hinterher nicht in Richtung Kleve abgehauen. Sonst hätte Opgenoorth ihn nämlich sehen müssen.«
»Genau«, nickte Heinrichs. »Wenn er von einem Auto abgeholt worden ist, dann sind sie nach Grafwegen und Holland gefahren, oder aber er ist zu Fuß durch den Wald.«
Toppe rieb sich nachdenklich die Stirn. »Sicher wissen wir eigentlich nur, daß ein Holländer um 17.45 Uhr telefoniert hat, weil er angeblich eine Autopanne hatte. Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit war er der Fahrer des Wagens am Kartenspielerweg – folglich muß das Auto seit spätestens 17.30 Uhr dort gestanden haben. Zwei Fragen: war der Holländer im Auto oder in der Nähe des Autos und Opgenoorth hat ihn in der Aufregung nicht bemerkt und: um wieviel Uhr ist der Notarzt eingetroffen?«
»Um 18.40 Uhr.« Van Appeldorn wußte, worauf Toppe hinauswollte. »Du hast recht. Der Wagen hat dort über eine Stunde gestanden.«
»Eben. Da muß es doch noch andere Leute geben, die das Auto oder den Fahrer gesehen haben; Spaziergänger, Autofahrer.«
»Das wollte ich gerade ansprechen«, mischte sich Stasi ein. »Ich werde die Presse bitten, uns bei der Suche nach eventuellen Zeugen behilflich zu sein. Aber noch einmal zurück zum Kinderhandel. Die Kinder kommen aus dem Ostblock nach Holland.«
»Und es gibt einen Abnehmer in Deutschland«, ergänzte Toppe. »So sieht es aus, aber wir wissen noch nicht genug, um irgendwelche
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