Feine Milde
jedenfalls. Ich wollte mich sowieso gerade ans Telefon klemmen und beim BKA ordentlich Dampf machen.« Am liebsten wäre er wohl selbst nach Wiesbaden gefahren.
Siegelkötter kam, Schaum vorm Mund, mit der Sensationspresse. »Hören Sie sich das mal an: Polizistenmord!!! – Deutscher Kripomann Opfer der Kinderhändler vom Balkan? Wußte er zuviel? Während seiner Ermittlungsarbeiten wurde der Klever Kommissar Günther B. (59) Opfer einer Hinrichtung, die als Autounfall getarnt war. Am Freitag nachmittag macht Günther B. einen grausigen Fund: in der Gluthitze des Laderaums eines holländischen Kleinlasters entdeckt er die ausgedörrten Leichen zweier Neugeborener. Die toten Säuglinge aus dem Balkan sind hinter Hollandrädern versteckt. Kommissar Siegelkötter, ein erfahrener Koordinator in Sachen grenzübergreifender Kriminalität: ’Das internationale Verbrechen macht jetzt auch vor Kleve nicht mehr Halt.’ – Das habe ich nie gesagt«, keuchte Stasi. »Man sollte diesen Burschen verklagen!«
Aber die anderen hörten kaum hin. An so was war man gewöhnt, und Siegelkötter war der einzige, der sich mit öder Regelmäßigkeit darüber aufregte. Ohne viel Gerede verteilten sie die Aufgaben für den Tag. Viel konnten sie im Augenblick sowieso noch nicht tun.
Eher halbherzig machten sich Toppe und Astrid auf den Weg zu den verschiedenen Autowerkstätten der Stadt. Der Täter mußte schon ziemlich blöd sein, wenn er sein Auto in Kleve reparieren ließ, aber sicher sein konnte man nicht – sie hatten schon die verrücktesten Sachen erlebt.
Van Appeldorn blieb mit Siegelkötter zurück. »Was soll das eigentlich heißen: illegaler Kinderhandel?« wollte er wissen.
»Nun ja«, meinte Siegelkötter, »da gibt es Leute, die kaufen in Polen, Rumänien, Bulgarien, der Ukraine.«
»Das wissen wir alle«, unterbrach ihn van Appeldorn.
»Was ich meine, ist, was passiert hier bei uns mit den Kindern? Die müssen doch irgendwelche Papiere kriegen. Da muß doch so was wie eine Adoption stattfinden.«
»Genau«, bestätigte Stasi. »Illegale Adoptionen. Ich werde gleich mal einen Kollegen in Düsseldorf anrufen, der auf diesem Gebiet Spezialist ist.«
»Das Gute liegt viel näher«, mischte sich Heinrichs ein.
»In Goch gibt es eine Kollegin, die sich da sehr gut auskennt.«
»Und das Jugendamt hier müßte uns doch auch was sagen können«, überlegte van Appeldorn.
Siegelkötter schüttelte unwirsch den Kopf. »Alles Zeitvergeudung! Ich wende mich lieber gleich an die kompetenten Leute.« Und damit ließ er sie allein.
Am späten Nachmittag endlich meldeten sich die Kollegen aus Nimwegen. Sie hatten den Fahrradhändler schließlich doch noch gefunden und waren jetzt mit ihm auf dem Weg nach Kleve.
»Na, bitte«, murmelte van Appeldorn. »Jetzt kommt hoffentlich Schwung in die ganze Geschichte.«
Frans de Witt war vor lauter Aufregung ganz durcheinander; ein kleiner, drahtiger Mann um die Fünfzig mit einem kahlen Kugelschädel und schwarzen Knopfaugen. Wie gut sein Deutsch war, ließ sich zunächst nicht feststellen, denn trotz der beiden Hörgeräte verstand er so gut wie nichts. Mit dicken Fingern fummelte er hektisch an einer kleinen Fernbedienung herum; es zirpte und fiepste aus seinen Ohren, und er kniff Mund und Augen zusammen. Van Appeldorn versuchte es auf holländisch, aber auch damit kam er nicht durch.
Der Mann, der de Witt begleitete, stellte sich als »Adjutant Wim Lowenstijn« vor.
Van Appeldorn stutzte. »Kripo?«
»Das erkläre ich Ihnen gleich in Ruhe«, nickte Lowenstijn mit einem Seitenblick auf de Witt. Sein Deutsch war akzentfrei.
»Waar ist meine Auto?« Der Fahrradhändler hatte endlich die Technik gemeistert. Er legte ihnen Fahrzeugpapiere auf den Schreibtisch.
»Das steht noch bei der Autoverwertung«, brüllte van Appeldorn.
De Witt fuhr sich mit beiden Händen an den Kopf. »Du mußt toch nicht schreien.«
»Tut mir leid, Entschuldigung«, meinte van Appeldorn beschämt.
»Vielleicht ist das nicht meine Auto?«
Van Appeldorn wechselte einen kurzen Blick mit Heinrichs, der die Szene von seinem Sessel aus beobachtet hatte. Er nickte und stand auf. »Kommen Sie«, nahm er de Witts Arm. »Wir fahren sofort mal mit einem Kollegen hin, dann können Sie sich überzeugen.«
De Witt kullerte mit den Augen – er hatte kein Wort verstanden. Heinrichs nahm die Fahrzeugpapiere und hielt sie dem Mann unter die Nase. »Kommen Sie«, schob er ihn auf die Tür zu.
»Setzen Sie sich doch«,
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