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Feine Milde

Feine Milde

Titel: Feine Milde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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Stiefmütterchen bepflanzt.
    Um diese Zeit war auf der Großen Straße noch nicht viel Betrieb, er fand einen freien Tisch vor der Eisdiele und bestellte sich einen Eiskaffee. Die Liste vom Jugendamt war viel länger, als er gedachte hatte, fast hundert Leute aus dem ganzen Kreisgebiet. Frau Derksen hatte keinen Zweifel gelassen: falls jemand tatsächlich ein Kind über dunkle Kanäle kriegen sollte, er mußte trotzdem auf der Liste stehen, sonst hätte er hinterher keine Chance, das Kind zu behalten. Es würde Wochen dauern, die ganzen Leute zu überprüfen.

    Das INTERKIDS Büro lag in der unteren Etage eines Zweifamilienhauses in der Turmstraße. Astrid und Toppe fanden es nicht gleich, weil jeder Hinweis und selbst die Hausnummer fehlten. Nur neben der Klingel hing ein kleines, weiß emailliertes Schild, das die Adoptionsvermittlung als Organ von MEILE e. V. auswies.
    Ein Mann öffnete ihnen. Er sah seltsam aus, wie aus lauter Einzelteilen willkürlich zusammengewürfelt: klein, höchstens 1,65 m, mit kurzen, stumpfen Gliedmaßen, gedrungen, ohne Hals, aber seine Hände waren winzig und zart; seine Gesten knapp, nachlässig. Er hatte hellrotes, krauses Haar, das Gesicht war zugewuchert von einem dicken Vollbart, wulstige, weiche Lippen; ein gemütliches Gesicht, wenn nicht die fixen Augen gewesen wären.
    »Maywald«, verbeugte er sich, lächelte, legte Toppe die Hand auf die Schulter, als wären sie gute Bekannte.
    »Kommen Sie doch durch.« Den Arm einladend ausgestreckt. Immer noch lächelnd zuckte er bei dem Wort »Kripo« zusammen. Dann aber lachte er laut. »Oh, entschuldigen Sie bitte! Ich hatte wirklich gedacht. Ich habe nämlich einen Termin mit einem Paar … Kripo?« Er hatte die Peinlichkeit überwunden, seine Haut nahm wieder ihre normale Farbe an. Auffordernd lief er vor ihnen her, führte sie in ein kühles Büro.
    »Haben Sie eine Klimaanlage?« fragte Astrid.
    »Nee, aber die Räume gehen nach Norden raus, und Sie sehen ja selbst.«
    Dicht vor den beiden Fenstern standen große Zedern, die kaum Tageslicht hereinließen. »Im Moment ist das sehr angenehm, aber im Winter. Ich kann Ihnen sagen!«
    Eine Frau hatte sich von ihrem Platz am Computer erhoben und schob eifrig Stühle heran. Eine ältere Frau, Sorgen im Gesicht, grau, ohne Haarschnitt, quaderförmig, was mit ihrer starken Gehbehinderung zusammenhängen mochte.
    »Das ist unsere Frau Versteyl«, stellte Maywald sie vor.
    »Sie hilft mir manchmal ein bißchen. Ehrenamtlich, von der MEILE aus.«
    »Und Sie sind hauptamtlich hier?« fragte Toppe.
    Maywald nickte. »Aber worum geht es eigentlich?«
    »Kriminalpolizei?« staunte Dina Versteyl.
    Toppe gab eine vage Erklärung.
    »Ach, die toten Kinder«, meinte Maywald. »Davon habe ich in der Zeitung gelesen.«
    Der Geschäftsführer bestätigte, was sie schon vom Jugendamt wußten: jeder, der eine vorläufige Pflegeerlaubnis hatte, war beim Jugendamt registriert. Immer mehr Leute wandten sich in letzter Zeit an INTERKIDS. Maywald führte das auf ihren ausgezeichneten Ruf zurück und betonte, daß sie ausschließlich mit seriösen Waisenhäusern und Kinderheimen zusammenarbeiteten, vornehmlich in Indien und Chile. Kontakte zum Ostblock? »Bis jetzt nur sporadisch und nach gründlichster Prüfung«, sagte Maywald mit finsterem Blick.
    »Da gibt es augenblicklich einfach noch zu viele Schwierigkeiten.«
    »Liest man ja auch immer wieder in der Zeitung«, schaltete sich Frau Versteyl ein, die mit Riesenohren dabei gesessen hatte. »Wie da den jungen Mädchen für ein paar Mark die Kinder abgekauft werden, direkt aus der Klinik, offiziell für tot erklärt. Da stecken alle möglichen Leute mit drin: Ärzte, Anwälte, Notare.«
    Die scharfe Bewegung, mit der Maywald sie zum Schweigen brachte, und sein milder Blick wollten nicht so recht zusammenpassen. »Ja, da liegt noch einiges im argen.«
    »Aber sporadisch gab es schon Adoptionen aus dem Ostblock, haben Sie gesagt?« hakte Astrid ein.
    »Ja, drei-, viermal, über ein Kinderheim in Sofia. Aber um den Ostblock zu erschließen, müssen wir persönliche Kontakte vor Ort aufbauen.«
    »Wieviel kostet ein Kind bei Ihnen?« fragte Astrid, und sogar Toppe runzelte bei der Formulierung die Stirn.
    »Das hört sich ja so an, als wollten wir Reibach damit machen!« rief Dina Versteyl schrill.
    »Zwischen 10.000 und 20.000 Mark«, antwortete Maywald gelassen. »Je nachdem, wieviel Kosten entstehen. Flüge, Heimunterbringung, Papiere und so weiter. Die

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