Feine Milde
Hälfte zahlen die Eltern im voraus, den Rest nach erfolgter Adoption.«
»Und wieviel Gewinn springt für Sie dabei raus?« beharrte Astrid unbeirrt.
Dina Versteyl schnappte nach Luft, nuschelte was vor sich hin. Maywald achtete nicht darauf. »An fixen Kosten hier vor Ort haben wir hauptsächlich mein Gehalt. Das ist nicht die Welt. Ich arbeite nur halbtags für INTERKIDS, hauptberuflich bin ich nämlich Versicherungskaufmann. Dann sind da noch Telefon, Porto, zuweilen Reisekosten. Aber meist holen die Eltern die Kinder selbst im Ausland ab.«
»Sie erwirtschaften also keine Gewinne?« fragte Toppe ungläubig.
»Doch, in den meisten Fällen springt schon ein kleiner Gewinn raus, aber der fließt in vollem Umfang an die MEILE. Das ist schließlich der Sinn der Übung.«
»Was ist das eigentlich, MEILE e. V.?« wollte Toppe wissen.
Maywald überließ Dina Versteyl bereitwillig das Wort.
»Wir sind ein gemeinnütziger Verein«, begann sie erfreut. Der Verein war aus einer Elterninitiative an der Liebfrauenschule entstanden, der es zunächst darum gegangen war, die Gewalt auf dem Pausenhof in den Griff zu kriegen und die ausländischen Kinder besser in den Schulalltag zu integrieren. Nach und nach hatten sich auch einzelne Lehrer angeschlossen, andere Schulen zogen mit, und so war nach kurzer Zeit ein richtiger Verein gegründet worden. Man übernahm die Hausaufgabenbetreuung, richtete Sprachkurse ein, Spielnachmittage, gestaltete Schulhöfe zu kinderfreundlichen Spielhöfen um, betreute die türkischen Kinder, die in den verschiedenen Jugendfußballmannschaften spielten, veranstaltete Zeltlager. Das alles kostete Zeit, aber da gab es eine Reihe von Idealisten, zum Teil auch Eltern, die selbst ein ausländisches Kind adoptiert hatten und von den Problemen mit Hautfarbe und Anderssein ein Lied singen konnten. Es kostete auch Geld, und man war immer auf der Suche nach Sponsoren. Später hatte man Patenschaften für ausländische Familien übernommen, Schuldenberatung, Unterstützung bei Behördengängen. Eines Tages hatten sie ein armenisches Waisenkind kennengelernt, das hier in einer Pflegefamilie war und von den entsetzlichen Bedingungen erzählte, unter denen seine beiden kleinen Geschwister zu Hause lebten. MEILE hatte auch für diese Kinder eine Pflegefamilie gefunden, und so war die Idee geboren, eine Adoptionsvermittlung einzurichten. »Von dem Geld, das durch INTERKIDS abfällt, können wir jetzt auch größere Projekte in Angriff nehmen.« Dina Versteyl hatte sich heiße Backen geredet, schaute sie erwartungsvoll an.
Astrid war gnädig. »Größere Projekte?«
»Ja, eine internationale Schule, zum Beispiel. In Kleve!«
»Prima«, sagte Toppe und wandte sich wieder an Maywald. »Sie haben sicher eine Kartei, in der die Leute registriert sind, die über Sie adoptiert haben oder adoptieren wollen.«
»Selbstverständlich«, antwortete Maywald, und Frau Versteyl war schon aufgesprungen und zum Computer gewackelt.
»Augenblick!« rief Maywald ihr hinterher, dann sah er Toppe an. »Sie verstehen sicher: Datenschutz. Ohne Rücksprache mit den Beteiligten, keinesfalls.«
»Wir haben im Augenblick gar kein Interesse daran«, nahm Toppe ihm den Wind aus den Segeln. »Ich möchte etwas anderes wissen. Gesetzt den Fall, ich habe Kontakte zu Kinderhändlern aufgenommen und die besorgen mir ein Kind und bringen es nach Deutschland. Wie sind meine Chancen, hier eine Adoption durchzukriegen?«
»Gleich Null«, antwortete Maywald entschieden und erklärte ihnen noch einmal den ganzen Adoptionshergang.
»Sagen Sie mal, woran sind die Kinder eigentlich gestorben?«
»Die sind quasi ausgetrocknet«, antwortete Toppe. »Es war zu heiß in dem Wagen.«
»Scheußlich! Sind Sie sicher, daß die Kinder aus dem Balkan stammen?«
Toppe nickte, aber Astrid war bestimmter. »Hundertprozentig. Warum fragen Sie?«
»Ach, ich dachte, vielleicht waren es einfach holländische Kinder, die mit ihren Eltern unterwegs waren. Vielleicht sind sie entführt worden?« Er sah zögernd von seinen Händen auf. »Ich will Ihnen nicht reinreden, Sie machen sich sicher selbst Ihre Gedanken, und bestimmt wissen Sie über die Geschichte viel mehr als ich. Aber wenn man täglich mit diesen Dingen zu tun hat, dann geht einem so was einfach im Kopf herum. Zum Beispiel dachte ich, wenn sie wirklich aus dem Balkan kommen, dann könnten sie doch mit illegalen Einwanderern unterwegs gewesen sein. Oder aber die Kinder sind bereits in Holland
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