Feine Milde
Die Dame hatte nämlich ganz schön gebechert: 1,6 Promille. Rotwein war’s, mehr als ein Liter.«
Toppe sah ihn nachdenklich an. »Gebechert, Rotwein.
Vielleicht hatte sie ja Besuch.«
Bonhoeffer drehte die Handflächen nach oben.
»Da wollte doch ein Mann bei ihr einziehen«, murmelte Toppe und war schon dabei, die Nummer vom Labor zu wählen.
»Van Gemmern? Glück muß man haben. Hören Sie mal, die Frau hatte Wein getrunken, eine ziemliche Menge. Vielleicht finden Sie ja die Flaschen, aber vor allem, gucken Sie mal, wieviele benutzte Gläser da sind. Falls man so was noch feststellen kann.«
Astrid kam als erste zurück, so eifrig, daß sie ihn nicht, wie sonst, wenn keiner im Büro war, erst einmal küßte.
»Diese Salzmann-Unkrig, das ist vielleicht eine aufgeblasene Pute! Und so richtig katzenfreundlich. Genau der Typ Frau, den ich liebe. Also, erst einmal sind sie und ein paar andere gestern abend aus der MEILE ausgetreten und haben einen neuen Verein, einen sogenannten Trägerverein gegründet, weil die nämlich was Größeres vorhaben.«
Sie erklärte ihm, was es mit der UNICEF-Schule auf sich hatte. »Das scheint der Salzmann-Unkrig unheimlich wichtig zu sein, hatte ich den Eindruck. Zu Heiderose Jansen konnte ich ihr nicht viel entlocken, nur daß … warte mal, das hab ich mitgeschrieben …« Sie suchte auf ihrem Block.
Astrid kam oft mit dem genauen Wortlaut, weil sie als einzige im K 1 noch Steno konnte. »Ach ja, hier: ’Heidi Jansen war eher basisdemokratisch orientiert und manchmal ein wenig verbissen in ihren Ansichten. Es hat ein paar Mißverständnisse gegeben, weil sie die Entwicklung des Vereins, meiner Meinung nach, falsch interpretiert hat.’ Ich wollte wissen, was das bedeutet, aber da ließ sie sich auf gar nichts ein, meinte nur, das sei ja alles Schnee von gestern, denn man habe sich ja nun von der MEILE getrennt, damit die Schule schnell gebaut werden könne. Das war mir dann alles doch ein bißchen zu konfus und zu dünn. Mein Vater ist ja in der CDU, und ein Parteifreund von ihm sitzt im Schulausschuß. Zu dem bin ich dann gefahren. Also, diese UNICEF-Schule scheint ein ziemliches Prestigeobjekt zu sein für eine ganze Reihe von Leuten, besonders wohl für die Salzmann-Unkrig und diesen Heino Müller. Sogar die Stadt hat sich da ordentlich mit reingehängt. Ich kenne mich ja mit Vereinen überhaupt nicht aus, aber so wie ich das verstanden habe, war Heiderose Jansen dagegen, daß MEILE diese Schule gründet, und sie hatte wohl auch schon eine ganze Menge Leute auf ihre Seite gezogen und war auf dem besten Weg, das Projekt zu verhindern. Die Stadt zum Beispiel war nämlich überhaupt nicht begeistert, als die Querelen öffentlich ausgetragen wurden. Außerdem gibt es ein paar Sponsoren, von denen die Schulgründung abhängt, und die kriegen wohl auch schon kalte Füße. Deshalb haben die jetzt ganz schnell diesen Trägerverein gegründet, über den sie das Projekt UNICEF abwickeln wollen.«
»Und was ist mit INTERKIDS?«
»Was meinst du? Vereinstechnisch? Die gehören wohl noch zur MEILE.«
»Nein, das ist mir egal. Was hat die Salzmann-Unkrig zu der Anschuldigung gesagt, es würden Profite erwirtschaftet?«
»Wenig. Sie sei nicht im Vorstand und habe auch überhaupt keine Ahnung vom Geschäftlichen. Ihres Wissens nach würden kleine Profite erwirtschaftet, die für wohltätige Zwecke verwendet würden.«
»Hast du sie gefragt, wo sie am Sonntag morgen zwischen halb fünf und sechs war?«
»Nein.« antwortete Astrid gedehnt.
»Es ist nämlich Brandstiftung gewesen.«
Van Appeldorn war mit seiner direkten Art bei Heino Müller gerade an den richtigen geraten. Der wollte sich noch einmal in aller Breite über die »Beschlagnahmung« der INTERKIDS-Bücher auslassen. Van Appeldorns »Was regen Sie sich eigentlich so auf?« hatte die Dinge nicht gerade vorangetrieben, aber schließlich war Müller doch mit einer Vorstands- und einer Mitgliederliste herausgerückt, allerdings nicht ohne die Bemerkung, sie mögen ihn nicht weiter behelligen, er habe nämlich sein Amt gestern zur Verfügung gestellt. Es war Heinrichs zu verdanken, daß er ihnen dann doch noch was erzählte. Die Informationen über die Schule und den Ärger im Verein deckten sich mit dem, was Astrid auch schon gehört hatte. Müller machte allerdings keinen Hehl daraus, daß er eine Stinkwut auf Heidi Jansen hatte und sie für ausgesprochen dämlich hielt.
»Dann haben wir ja jetzt einiges zu tun«, meinte
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