Feine Milde
mit Weste, diesmal matt rosenholzfarben. Was für ein Schnulli, dachte Astrid, mußte aber ihr Urteil revidieren, als sie ihm eine Weile zugehört und beobachtet hatte, wie er mit den anderen umging. Ein spannender Mann mit wahnsinnig schönen Händen und einem empfindsamen Mund. Er betrachtete sie interessiert, und ihm schien zu gefallen, was er sah. Aber da war kein Geifer in seinem Blick. Er schaute ihr in die Augen und lächelte amüsiert, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Sie lächelte zurück. Noch hatten sie kein Wort miteinander gewechselt.
Toppe runzelte ärgerlich die Stirn. »Es sind eindeutig ein paar Leute zuviel hier«, sagte er rauh. »Wir können in dieser Horde unmöglich eine vernünftige Vernehmung durchführen. Maywald kommt mit seinem Anwalt.« Er sah auf die Uhr. »Der ist schon seit einer Stunde bei ihm. Ich würde vorschlagen, Norbert, Lowenstijn und ich. Das ist mehr als genug. Die anderen blieben hier und können – was weiß ich – Däumchen drehen.«
Heinrichs grinste, wohlweislich hinter vorgehaltener Hand.
Jens Maywald sah ziemlich mitgenommen aus; er hatte wohl nicht allzu viel geschlafen. Sein Anwalt, ein älterer Herr mit glatten, weißen Haaren, kam aus Krefeld, und sie kannten ihn nicht. Offensichtlich hatte er seinem Mandanten geraten, kooperativ zu sein, denn Maywald fing von sich aus an zu erzählen: er habe eine Frau und eine kleine Tochter; seine Familie sei der Mittelpunkt seines Lebens und bedeute ihm alles. Vor zehn Jahren habe er sein Haus gebaut. Die Hypothek sei recht hoch, und es wäre nicht immer ganz leicht gewesen, sie allmonatlich zu zahlen von dem, was die Versicherungsagentur abwarf. Deshalb habe er sich auf eine vielversprechende Immobiliengeschichte eingelassen, bei der er betrogen worden sei. Jetzt habe er einen Berg Schulden, und das Schlimmste sei, daß seine Frau von all dem keine Ahnung habe. So sei er schließlich auf die Idee gekommen, unter der Hand Kinder zu vermitteln. Das wolle er gar nicht leugnen. Er lehnte es aber rundweg ab, irgend etwas mit den Holländern oder gar mit den toten Babies zu tun zu haben. Sein einziger Kontakt sei ein Waisenhaus in Sofia – die Adresse habe er der Polizei schon gegeben – und die Kinder habe er, wie gesagt, persönlich am Flughafen in Empfang genommen.
Damit lehnte er sich zurück. Sein Anwalt hatte noch keinen Ton von sich gegeben. Er blätterte in Papieren und schien desinteressiert.
Van Appeldorn schob Lowenstijn einen Zettel rüber: Noch keine Antwort von Interpol zu Waisenhaus Sofia.
Lowenstijn nickte. »Da brauchst du nicht mehr drauf zu warten«, meinte er. »Wir kennen dieses ’Institut’. Unsere Organisation in Holland hat ein Großteil der Kinder von dort bezogen. Es ist ein katholisches Heim, das von Nonnen geleitet wird. Die vermitteln überhaupt keine Adoptionen ins Ausland. Allerdings sind die heiligen Schwestern bereit, ab und zu mal Kinder zeitweise in Pflege zu nehmen. Zum Beispiel Säuglinge, deren Mütter bei der Geburt gestorben sind und die auf eine Vermittlung in eine Pflegefamilie warten. Eine gelegentliche Spende für wohltätige Zwecke hat auch lange Zeit dafür gesorgt, daß die ehrwürdigen Damen dabei sehr verschwiegen waren. Es war nicht ganz einfach für uns, die Namen der Gynäkologen in Erfahrung zu bringen, in deren Kliniken so erstaunlich viele Frauen bei Geburten sterben.« Lowenstijn hatte ganz allgemein in die Runde gesprochen, aber jetzt sah er Maywald direkt ins Gesicht. »So, und jetzt wollen wir mal diese kleine Komödie beenden. Sie bereitet mir nämlich Übelkeit.«
Er holte eine rehbraune Brieftasche aus der Jacke und entnahm ihr zwei Fotos. Sie zeigten den toten Rob de Boer, nachdem man ihn aus der Amsterdamer Gracht gefischt hatte, und waren alles andere als appetitlich.
»Das ist Ihr Kontaktmann.«
Maywald starrte auf die Fotos und schüttelte heftig den Kopf. »Den Mann kenne ich nicht.« Seine Stimme klang gepreßt.
Lowenstijn machte ein betrübtes Gesicht. »Das ist schade«, sagte er leise, »schade für Sie, meine ich. Ich habe Sie tatsächlich für klüger gehalten. Aber offenbar kapieren Sie wirklich nicht, mit wem Sie es zu tun haben. Das ist eine internationale Organisation, Herr Maywald!«
Dann lächelte er sanft. »Haben Sie hier in Kleve nicht auch einen Kanal und sogar einen kleinen, romantischen Fluß?«
Maywald schaute den Anwalt an.
»Es reicht!« Van Appeldorn ließ seine Faust auf den Tisch fallen. »Jetzt beantworten Sie mir mal
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