Feine Milde
und Sie waren sogar dabei, als die Kinder starben.«
Natürlich war es Toppe klar, daß van Appeldorn ziemlich blind in die Gegend schoß – sie wußten ja, daß de Boer um 17.45 Uhr mit Kleve, vermutlich also Maywald, telefoniert hatte – aber auch er hatte die Nase voll von dem Kerl.
»Und als unser Kollege Breitenegger Sie und die Holländer dort beobachtet«, spann Toppe den Faden weiter, »die toten Kinder sieht, da überfahren Sie ihn kurzerhand.«
»Was?!« Maywald fiel nichts mehr ein.
Wieder wurde ein Zettel geschoben. Van Appeldorn schrieb: Er fährt einen blauen BMW.
Jetzt hatte Maywald seine Sprache wiedergefunden:
»Das ist doch alles Quatsch! Wenn ich gewußt hätte, daß die Kinder tot sind, oder wenn ich sogar Ihren Polizisten umgefahren hätte, warum sollte ich dann um halb acht noch mal wiederkommen?«
»Dafür gibt es ein paar durchaus einleuchtende Erklärungen«, lächelte van Appeldorn. »Soll ich die Ihnen vorkauen, oder kommen Sie von selbst drauf?«
Der Anwalt befand offensichtlich, jetzt sei der richtige Zeitpunkt gekommen, sich einzuschalten. »Meine Herren, Ihre Phantasie in allen Ehren, aber ich muß Sie doch wohl nicht darauf hinweisen, daß Sie damit keinen Haftrichter der zivilisierten Welt überzeugen können. Oder gibt es Fakten, die Sie mir bisher vorenthalten haben?«
»Nein«, entgegnete Toppe, so beherrscht wie möglich.
Lowenstijn wollte wissen, wie Maywald an den holländischen Kontakt gekommen war, mit wem er gesprochen, wen er getroffen hatte. Maywald gab sein Wissen nur bröckchenweise von sich, und es zog sich wie Kaugummi. Toppe und van Appeldorn sahen sich an und standen auf. Im Moment gab es für sie hier nichts mehr zu tun. Aus der Sache mit dem Kinderhandel waren sie wohl erst einmal raus.
Auf dem Flur hielt Toppe van Appeldorn am Ärmel fest.
»Was wird jetzt aus den Kindern?«
»Welche Kinder meinst du?«
»Die Zwillinge und den kleinen Jungen, bei dem du warst.
Wenn sich jetzt rausstellt, daß deren Papiere gefälscht sind, dann sind die doch illegal hier, oder?«
»Mensch, ja, die werden abgeschoben!«
»Eben.«
33
»Wer zwingt uns eigentlich dazu, die Geschichte mit den gefälschten Papieren ans Jugendamt weiterzuleiten?« fragte Toppe, als sie später alle beim Kaffee im Büro saßen.
Lowenstijn hatte das Jackett geöffnet, den Daumen in den Armausschnitt der Weste gehakt. »Ich wollte das von mir aus nicht so direkt sagen, aber in der Tat: wer zwingt euch?«
Heinrichs schaute ins Leere. »Bis es zum Prozeß kommt, vergehen Monate.«
»Jahre«, meinte Lowenstijn. »Bei internationalen Sachen kann das Jahre dauern.«
»Um so besser«, nickte Astrid. »Bis dahin sind die Adoptionsverfahren längst abgeschlossen, und kein Mensch wird die Kinder dann noch abschieben.«
Van Appeldorn beendete das Thema mit einem zufriedenen Grunzen und goß allen noch einmal Kaffee nach. »Den Maywald müssen wir wohl laufen lassen«, sagte er. »Oder sieht einer von euch Fluchtgefahr?«
»Wohl kaum«, antwortete Toppe. »Bis zum Prozeß kann der nach Hause.« Er sah Lowenstijn nachdenklich an. »Sagen Sie mal, der Siegelkötter, der war neulich, als er von Ihnen kam, so verdächtig friedfertig. Ist da was gewesen?«
Lowenstijn schmunzelte sibyllinisch. »Doch, ich glaube, mein Chef hat ihn sich mal zur Brust genommen.« Dann pustete er konzentriert in seine Kaffeetasse.
»Warum schreibt ihr nicht mal eine Beschwerde an den Innenminister?« fragte van Appeldorn. »So wie der Alte sich bei euch aufgeführt hat.«
Lowenstijn trank seine Tasse leer, stellte sie sorgsam auf den Teller zurück. »Beschwerden schreiben, auch so eine schlechte deutsche Angewohnheit. Aber im Grunde bin ich ganz eurer Meinung: das Männeken ist ein Fall für das Innenministerium.« Damit stand er auf und knöpfte sein Jackett zu. »Für mich wird es Zeit. Ich hoffe, das war nicht das letzte Mal, daß wir zusammengearbeitet haben.« Sein Blick ruhte lange auf Astrid. »Und sagt eurem Kollegen Jupp, es tut mir wirklich leid, daß wir ihm noch nicht mit einer Werkstatt dienen konnten. Wir bleiben aber weiter am Ball.« Er griente. »Ackermann ist zwar eine Marke für sich, trotzdem, wenn ihr mal keinen Bedarf mehr für den habt, ich nehme ihn mit Kußhand. So einen wie den muß man heutzutage mit der Lupe suchen.«
Van Appeldorn fragte sich grimmig, ob ihm Lowenstijn wirklich so sympathisch war.
Sie machten sich daran, die Fäden aufzuwickeln: den Fall der beiden toten Kinder
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