Feine Milde
wunderte sich der Staatsanwalt.
»Darüber haben wir hier nichts. Was soll denn das sein?«
»Wenn ich das wüßte!«
»Also, in unseren Unterlagen finde ich da nichts. Sie muß die Anzeige wohl zurückgezogen haben.«
Bei der ersten Anzeige gegen Kleinmanns war es auch zur Verhandlung gekommen, und der Mann hatte eine Geldstrafe zahlen müssen. Frau Kleinmanns hatte Toppe also schlicht belogen, als sie gesagt hatte, bei den Streitigkeiten sei nichts rumgekommen. Außerdem hatte sie verschwiegen, daß sie selbst Heiderose Jansen vor zwei Jahren angezeigt hatten wegen Nichteinhaltung der Mittagsruhe. Eine wirklich sympathische Nachbarschaft!
Christa Salzmann-Unkrig empfing sie gnädig, bat sie, auf der Terrasse unter dem Sonnensegel Platz zu nehmen und ging zurück ins Haus, um »etwas Kühles zum Trinken zu holen«.
Heinrichs sah sich kleinlaut um; so viel Prunk und Protz kannte er nur aus dem Fernsehen. Von vorn hatte die Villa ganz bescheiden ausgesehen, aber sie war an einen Hang gebaut, und an der Parkseite strahlte sie in ihrer ganzen gläsernen Pracht. Der weiße Marmorboden der Halle zog sich über die Terrasse in breiten Stufen bis hinunter zum Pool. Heinrichs ließ seinen Blick über den Rasenteppich schweifen und staunte über die mannshohen Rosenhecken in allen Pinkschattierungen und die exakt geschnittenen Buchsbaumfiguren. »Die haben bestimmt einen Gärtner«, flüsterte er. »Und einen Fensterputzer. Gucken Sie mal, der Glaserker da oben, der sieht aus, als ob er frei in der Luft schwebt.«
Astrid war völlig unbeeindruckt. Derselbe Architekt hatte ihr Elternhaus gebaut. »Jede Wette, die bringt uns hausgemachte Limonade in einem Glaskrug.«
Sie hatte recht.
»Eis?« fragte Frau Salzmann-Unkrig und schenkte ein.
»Worum geht es denn? Was kann ich für Sie tun?«
»Wo waren Sie in der Nacht von Samstag auf Sonntag zwischen vier und sechs Uhr früh?« fragte Astrid und schlug ihren Notizblock auf.
»Wie bitte?« Die Empörung war nicht gespielt.
»Ja?« Astrid wartete.
»In meinem Bett selbstverständlich.«
»Zeugen?«
Ein harter Blick. »Mein Mann.«
Dann stand sie auf. »Bitte entschuldigen Sie mich einen Moment.«
Heinrichs war richtig böse. »Was ist denn in Sie gefahren?«
»Wieso?« schnippte Astrid. »Das ist doch genau das, was wir wissen wollen, oder?«
»Nein, verflucht!«
»Nein? Lieber Herr Heinrichs, Sie glauben doch nicht allen Ernstes, daß Leute wie die hingehen und einen Brand legen.«
»Natürlich nicht, aber gerade Leute wie die haben ihre Lakaien für die Drecksarbeit.«
»Ach«, winkte Astrid ab. »Meiner Meinung nach sind Sie dabei, sich gründlich zu verrennen. Aber bitte, wie Sie meinen. Halte ich eben die Klappe.«
Christa Salzmann-Unkrig war schnell wieder da.
»Ihr Streit mit Heiderose Jansen …« begann Heinrichs.
Sie seufzte. »Es tut mir leid, aber ich muß sagen, langsam ist es genug. Vor ein paar Tagen erst habe ich Ihrer Kollegin versichert, daß es nie einen Streit, wie Sie es nennen, gegeben hat. Ich habe mit dieser Frau seit Monaten kein persönliches Wort mehr gewechselt. Und wenn Sie jetzt wieder auf meinen Leserbrief anspielen, kann ich nur wiederholen: ich habe dieses Mittel bewußt gewählt. Mir ist es niemals um persönliche Animositäten gegangen – gerade denen wollte ich aus dem Weg gehen. Deshalb der Leserbrief. Mir ging und geht es immer noch ausschließlich um die Sache.«
»Und die Sache ist die UNICEF-Schule?«
»Ganz recht.« Dann sprach sie einen minutenlangen Plaudermonolog über Chancengleichheit auch für Kinder aus sozial schwachen Familien, die ausländischen Mitbürger, und wie sie sich gerade in diesem Bereich seit vielen Jahren engagiere.
Astrid schickte Heinrichs ein freches Grinsen, aber er ließ sich nicht aufhalten, fragte, inwiefern Frau Salzmann-Unkrig bei INTERKIDS mitgearbeitet habe.
»Konkret hatte ich mit der Vermittlung nur insofern zu tun, als daß ich mich ein wenig um die Promotion gekümmert habe. Es ist sehr bedauerlich für die Organisation, daß Herr Maywald sich als so wenig vertrauenswürdig erwiesen hat.«
»Haben Sie eigentlich Kinder?« fragte Astrid.
»Keine eigenen, nein.«
»Ach, Sie haben selbst adoptiert?«
»Nein, aber mein Mann hat einen Sohn aus erster Ehe.«
Mit einem Ruck wurde die Glastür aufgeschoben, und ein älterer Mann in dunkelgrauem Anzug kam heraus, deutete eine Verbeugung an. »Unkrig, guten Tag. Wie ich von meiner Frau gehört habe, gibt es
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