Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1
in der Geschichte des Hofs, der noch keinen
Kampf verloren hat.«
»Hm«, sagte Pasko. »Irgendwie kann ich mich daran erinnern, dass Ihr eines Nachmittags von Meister Dubkov ganz
schön in die Enge getrieben wurdet.«
»Das war kein Kampf«, sagte Tal. »Das war Unterricht.
Und es ist sowieso nur passiert, weil ich es zugelassen habe.«
»Ihr habt es zugelassen?«
»Ja, aus zwei Gründen«, erklärte Tal, während die Kutsche
aus dem Hof in die Straßen von Roldem hinausrollte. »Erstens
ist er ein Meister des Hofs, und ich brauche Freunde dort, und
zweitens habe ich mehr gelernt, indem ich diesen Kampf verloren habe, als ich durch einen Sieg hätte gewinnen können.«
»Deshalb habt Ihr es also auch manchmal beim Unentschieden belassen?«
»Ja«, antwortete Tal. »Aber nur bei Übungskämpfen, wie du
sicher bemerkt hast. Ich habe nie einen Wettkampf verloren,
und ich habe auch nicht vor, das in der nächsten Zeit zu tun.«
»Schwertkämpfer aus der ganzen Welt werden an diesem
Wettkampf teilnehmen, wenn ich Euch erinnern darf, Mylord.«
»Ja, und ich könnte verlieren, aber ich habe es nicht vor.«
»Gut«, sagte Pasko.
Die Kutsche holperte über das Kopfsteinpflaster, und Tal
lehnte sich zurück und schaute aus dem Fenster, während
Pasko schnell die Briefe las, die man ihm in die Hand gedrückt hatte, und als unbedeutend abtat. Sie hatten alle den
gleichen Inhalt: Junge Damen fragten Tal, warum er sich so
lange nicht mehr hatte sehen lassen.
Tal ließ sich von der frischen Seeluft, die aus dem Westen
kam, ein wenig abkühlen, während er die Aussicht genoss. Er
hatte drei große Städte gesehen, Krondor, Salador und nun
Roldem, und er zog seinen derzeitigen Wohnsitz bei weitem
vor. Krondor wirkte rau und beinahe primitiv, verglichen mit
den beiden anderen, vielleicht, weil es in den letzten dreißig
Jahren wieder aufgebaut worden war. Caleb hatte Talon die
Geschichte der Smaragdkönigin und der Zerstörung der Stadt
durch ihre Streitkräfte erzählt, und von der heldenhaften Verteidigung der Armee des Königreichs.
Salador hingegen war eine uralte Stadt, ausgedehnt und
großstädtisch. Die äußeren Viertel hatten ihre eigenen kleinen
Marktplätze und Geschäftsstraßen, und die Innenstadt hatte
wenig Ähnlichkeit mit der von Mauern umgebenen Festung,
die sie einmal gewesen war. Tal erinnerte sich daran, durch
ein offenes Tor von einem Bezirk der Stadt in einen anderen
gegangen zu sein, aber ansonsten gab es wenig Anzeichen der
großen Mauer, die einmal die wichtigste Verteidigungsanlage
der Stadt gewesen sein musste.
Salador hatte seinen eigenen Zauber, und die beiden Jahre,
die Talon Silverhawk dort verbracht hatte, um sich in Talwin
Hawkins zu verwandeln, bevor er nach Roldem gegangen
war, waren zwei der besten Jahre seines Lebens gewesen. Er
hatte gelernt, Laute, Horn und diverse Schlaginstrumente zu
spielen. Er hatte gelernt, die Sprache des Königreichs und
Roldemisch vollkommen akzentfrei zu sprechen, und konnte
als Edelmann aus beiden Regionen durchgehen. Er hatte auch
seine Maltechnik verfeinert, konnte inzwischen einen guten
von einem schlechten Wein unterscheiden – und hatte eine
gewisse Leidenschaft für Ersteren entwickelt – und hatte die
schwierigsten Klippen höfischen Tanzes gemeistert.
Er hatte Bücher und Schriftrollen gelesen und alles studiert, was er über die Geschichte der Länder dieses Kontinents finden konnte. Er hatte sich auch bezüglich der anderen
Länder, die er besucht hatte, weitergebildet und war ein begeisterter Student der Geschichte geworden.
Und er hatte Frauen kennen gelernt; Zuerst hatte er sich
noch die Wunden geleckt, die Alysandra ihm zugefügt hatte,
aber Caleb hatte ihn eines Abends gezwungen, ihn in die Stadt
zu begleiten, und sich mit ihm von Gasthaus zu Gasthaus getrunken, bis sie schließlich zu einem Bordell gekommen waren, das einen besonders guten Ruf genoss. Dort hatte er Tal
der Obhut einer Gruppe fähiger und begeisterter junger Kurtisanen überlassen, denen es gelungen war, sein Interesse an
Frauen wieder zu beleben. Danach hatte er Affären mit Dienerinnen gehabt, mit Kaufmannstöchtern und hin und wieder
auch mit einer Tochter des niederen Adels.
Als er zwanzig wurde – er hatte sich dem Brauch im Königreich angeschlossen, den Mittsommertag als Geburtstag zu
betrachten war er bereit gewesen, in den Hof der Meister einzutreten.
Robert war eines Abends mit gefälschten Dokumenten erschienen, die aus Talon
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