Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1
können,
einen entfernten Verwandten einer der bekannteren Familien,
reich an Ahnen, aber ansonsten nicht sonderlich wohlhabend
und daher bereit, in den Dienst eines anderen zu treten.«
»Der Hof der Meister? Kendrick hat mir ein wenig davon
erzählt. Er sagte, dort würden die besten Schwertkämpfer der
Welt ausgebildet.«
»Und genau darin, mein Freund, wird deine Aufgabe bestehen: Wenn du Roldem verlässt, musst du der Beste sein.
Man sollte dich als den größten Schwertkämpfer der Welt
betrachten.«
Talon starrte seinen Freund verblüfft an, aber Caleb ritt
einfach schweigend weiter.
Teil Zwei
Söldner
Rache ist süß, aber nicht nahrhaft.
Mason Cooley
Vierzehn
Hof der Meister
Talon blinzelte.
Die Klinge, die für einen Sekundenbruchteil vor seiner Nase verharrt hatte, zuckte nach rechts, und er zögerte, dann bewegte er sich in dieselbe Richtung. Wie er angenommen hatte,
machte sein Gegner eine Finte nach rechts, bewegte sich dann
aber nach links. Talon schlüpfte unter der Verteidigung des
Mannes hindurch, so schnell, dass der andere nicht rechtzeitig
reagieren konnte, und schlug dann zu.
»Berührt!«, rief der Meister.
Tal zog sich einen Schritt zurück, nahm Habachtstellung an
und salutierte vor seinem Gegner, einem jungen Adligen aus
der Küstenstadt Shalan, Duzan oder Dusan, Tal konnte sich
nicht so recht an seinen Namen erinnern. Die Zuschauer applaudierten höflich, als wäre es ein wirklich guter Kampf gewesen, und damit hatten sie nicht Unrecht.
Der Hofmeister trat vor und erklärte: »Der Punkt geht an
Mylord Hawkins.«
Talwin Hawkins, ein junger Adliger aus Ylith, entfernter
Verwandter von Lord Seijan Hawkins, Baron am Hof des
Prinzen in Krondor, verbeugte sich vor dem Hofmeister und
dann vor seinem Gegner. Die beiden Männer setzten die
Drahtmasken ab, die sie zum Schutz getragen hatten, und gingen aufeinander zu, um sich die Hand zu reichen. Der junge
roldemische Adlige lächelte und sagte: »Eines Tages werdet
Ihr Euch irren, Tal, und dann erwische ich Euch.«
Tal erwiderte das Lächeln. »Ihr habt wahrscheinlich Recht.
Aber wie Pasko hier immer sagt: Lieber Glück als Können.
Stimmt’s, Pasko?«
Der untersetzte Diener, der neben Tal aufgetaucht war und
seinem Herrn nun Maske und Schwert abnahm, lächelte.
»Wie mein Herr schon sagte, wenn ich die Wahl habe, ziehe
ich Glück vor.«
Die beiden Kombattanten verbeugten sich noch einmal
voreinander, dann zogen sie sich in gegenüberliegende Ecken
der riesigen Duellhalle zurück, die das Herz des Hofs der
Meister in Roldem bildete. Große geschnitzte Holzsäulen umgaben einen Kampfplatz mit Parkettboden, der so intensiv
poliert worden war, dass er nun wie Kupfer schimmerte.
Kunstvolle Muster waren darin eingelegt, und nachdem er erst
einmal die Lehrer kennen gelernt hatte, hatte Tal schnell erkannt, dass diese Einlegearbeiten nicht nur eine ästhetische
Funktion hatten. Jedes Muster kennzeichnete einen Duellbereich, von den sehr engen und lang gezogenen Pfaden für die
Arbeit mit dem Rapier zu einem größeren Achteck für alle
Arten von längeren Klingen.
Denn Klingen waren die Existenzgrundlage des Hofs der
Meister. Vor über zweihundert Jahren hatte der König von
Roldem ein Turnier veranstaltet, um den besten Schwertkämpfer der Welt zu ermitteln. Adlige, Bürgerliche, Soldaten
und Söldner waren von weit her gekommen, sogar von hinter
dem Gürtel von Kesh – den Bergen, die die Nord- und Südhälfte des Reiches trennen –, von der Fernen Küste, aus dem
Königreich und aus allen Orten dazwischen. Der Preis war
legendär: ein Breitschwert aus Gold, das mit Edelsteinen besetzt war – ein Kunstwerk, das die Steuereinnahmen eines
ganzen Königreichs über mehrere Jahre hinweg wert war.
Zwei Wochen hatte der Wettbewerb gedauert, bis ein ortsansässiger Adliger, Graf Versi Dango, gesiegt hatte. Zum Erstaunen und Entzücken des Königs hatte er verkündet, er werde den
Preis nicht annehmen, und den König gebeten, stattdessen für
den Wert der Waffe eine Akademie zu errichten, die allein der
Schwertkunst geweiht war, und dort regelmäßig solche Wettbewerbe abzuhalten. So war der Hof der Meister entstanden.
Der König hatte die Schule bauen lassen, die einen gesamten Straßenblock in der Hauptstadt der Insel einnahm, und im
Lauf der Jahre war sie immer wieder neu erbaut und verbessert worden, bis sie nun eher an einen Palast als an eine Schule erinnerte. Als sie fertig war, hatte ein weiteres
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