Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1
Silverhawk Talwin Hawkins machen
sollten, einen entfernten Verwandten eines geringen Adligen
in Yabon im Westteil des Königreichs der Inseln. So war aus
Talon Silverhawk Talwin Hawkins, Junker von Wildenhag
und Klingenburg, Erbbaron von Silbersee, Vasall des Barons
von Ylith, geworden, der sein väterliches Zuhause verlassen
hatte, um eine Weile als Leutnant unter dem Befehl des Herzogs von Yabon zu dienen, und nach seiner ehrenhaften Entlassung aus diesem Dienst weitergezogen war, um anderswo
sein Glück zu machen: ein junger Mann von Adel, aber ohne
Geld.
Unterwegs war es ihm irgendwie gelungen, zumindest genügend Wohlstand zu erringen, um sich eine bescheidene,
aber geschmackvolle Wohnung in einem besseren Viertel der
Stadt leisten zu können, wohin er kleine Gruppen junger Adliger einlud, und er hatte sich als hervorragender Schwertkämpfer und begehrtester ausländischer Junggeselle erwiesen,
der seit Jahren in der Stadt eingetroffen war.
Tal war beeindruckt davon, wie viel Mühe das Konklave
investiert hatte, um seinen Weg in die Gesellschaft von Roldem zu ebnen. Kreditbriefe, Referenzen und Einführungsschreiben waren allesamt im Voraus vorbereitet worden.
Mehrere Ortsansässige stellten sich als alte Bekannte vor und
gingen sogar so weit, Tal an Einzelheiten früherer Begegnungen zu erinnern.
Zu Paskos und Roberts Freude hatte sich Tal als geschickter Spieler erwiesen – das Ergebnis der logischen Spielereien,
die Robert und Magnus ihm während seiner Ausbildung aufgezwungen hatten. Er widerstand der Versuchung, große
Summen zu gewinnen, und zog es vor, immer wieder kleinere
Summen zu sichern. Um dafür zu sorgen, dass man ihn wieder und wieder einlud, verlor er manchmal auch absichtlich,
und das großzügig und mit Humor.
Alle, die ihn kannten, hielten ihn für einen tüchtigen jungen Mann. Offen und ehrlich, höflich und amüsant, war er ein
beliebter Gast bei festlichen Anlässen. Dass er mehrere Sprachen fließend beherrschte, anmutig tanzen konnte, sang und
mehrere Instrumente spielte, machte ihn zu einem der beliebtesten jungen Männer in der Stadt. Nur eine Einladung zu
einer der Galas des Königs fehlte noch, und nun gaben ihm
Gerüchte Hoffnung, dass auch dies kurz bevorstand.
Die einzige Kritik, die die Gesellschaft an Tal Hawkins
hatte, ging von den jungen Damen von Roldem aus. Er war
charmant, sah gut aus, war schlagfertig und angemessen leidenschaftlich. Aber mehr als nur eine junge Frau bezichtigte
ihn der Herzlosigkeit, denn er sprach niemals von Liebe. Begierde und die Freuden des Körpers, ja, und seine Direktheit
und seine mutige Art hatten ihm einige junge Blüten von Roldem zugeführt, die zunächst entschlossen gewesen waren,
dem berüchtigten jungen Mann aus dem Westen Widerstand
zu leisten. Sein Bett war nur dann leer, wann er es wollte, aber
er fand nur wenig Freude bei denen, die es mit ihm teilten.
Erleichterung, Vergnügen und Amüsement, ja, aber keine
Freude. Hin und wieder dachte er an Alysandra und fragte
sich, ob er wohl dabei war, so wie sie zu werden, aber dann
kam er zu dem Schluss, dass das nicht der Fall sein konnte,
denn er hatte seine Lehrer immer noch gern, und selbstverständlich empfand er tief im Herzen immer noch Liebe für
seine Verwandten und die Leute aus seinem Dorf, aber die
jungen Frauen, mit denen er sich abgab, hielt er für ein Mittel
zum Zweck, entweder um seine Lust zu befriedigen oder um
sich Zugang zu höheren Kreisen zu verschaffen.
Die Kutsche blieb vor dem Haus stehen, in dessen erstem
Stockwerk er eine Dreizimmerwohnung gemietet hatte. Im
Erdgeschoss wohnte ein Geldverleiher mit seiner Familie. Die
Familie hatte eine Tochter, die alles andere als unattraktiv
war, aber Pasko hatte empfohlen, die junge Dame in Ruhe zu
lassen, und Tal war einverstanden gewesen; einen zornigen,
wohlhabenden Vater zum Nachbarn zu haben, könnte sich als
schwierig erweisen. Denn obwohl der Vater selbst vielleicht
mit einem Schwert keine Gefahr darstellte, waren für Geld
viele Schwerter zu kaufen. Also war Tal höflich zu Vater und
Mutter, brüderlich zu dem kleinen Sohn, und er flirtete ein
wenig mit dem Mädchen, beließ es aber dabei.
Der Kutscher öffnete die Tür, Tal und Pasko stiegen aus
und Pasko ging voran zu der Treppe, die zu ihrer Wohnung
führte, während die Kutsche zu einem Mietstall eine Straße
weiter rollte, wo der Kutscher ebenfalls wohnte und für Tal
schnell erreichbar war.
Tal ging nach oben und betrat
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