Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1

Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1

Titel: Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Silberfalke
Vom Netzwerk:
Riemen
fertig und Pasko sagte: »Hast du schon mal Leder genäht?«
»Ich habe meiner Mutter dabei geholfen …« Er brach ab.
Jede Erwähnung seiner Familie brachte die Verzweiflung zurück, die stets drohte, ihn zu überwältigen.
»Das genügt«, sagte Pasko und reichte ihm ein Stück Leder, an dem die Löcher bereits gestanzt waren. »Nimm diese
Schnalle« – er zeigte auf eine große Eisenschnalle, die dazu
diente, die Herde anzuschirren – »und näh sie ans Ende des
Riemens.«
Talon betrachtete den Riemen einen Augenblick. Er sah,
dass er aus zwei zusammengenähten Lederstücken bestand,
damit er besonders fest war, und bemerkte, dass eine Seite
flacher war als die andere. Er griff nach der Schnalle, zog den
langen Riemen hindurch und platzierte dabei die Metallrolle
gegenüber dem Dorn auf der flachen Seite. Er blickte auf.
Pasko nickte, und ein kleines Lächeln umspielte seine
Mundwinkel. Talon griff nach der dicken Nadel und fing an,
die Schnalle festzunähen. Als er fertig war, sagte Pasko:
»Nicht schlecht, Junge, aber du hast einen Fehler gemacht.«
Talons Augen wurden ein wenig größer, als er den Mann
fragend ansah.
»Schau dir mal den da drüben an«, sagte Pasko und zeigte
auf einen anderen fertigen Riemen. Talon tat wie geheißen
und erkannte, dass er die Schlinge mit der Schnalle zu kurz
gemacht hatte; der andere Gurt war unter der Schnalle dreimal
vernäht, damit er besser hielt.
Talon nickte, griff nach einem schweren Ledermesser und
fing an, die Stiche wieder aufzuschneiden. Er zupfte das Garn
vorsichtig heraus, um das Leder nicht zu beschädigen, und
zog dann den Riemen so zurecht, dass die Löcher auf einer
Seite dort waren, wo die erste Naht verlaufen sollte, und die
Löcher auf der anderen Seite zur dritten Naht passen würden.
Sorgfältig führte er diese beiden Nähte aus, dann eine dritte
zwischen ihnen.
»So ist es richtig«, sagte Pasko, als Talon fertig war.
»Wenn man etwas zum ersten Mal macht, und es gibt ein Arbeitsbeispiel ganz in der Nähe, sollte man sich einen Augenblick Zeit lassen, um zu sehen, was man da eigentlich versucht. Dann passieren weniger Fehler, und Fehler können
einem Mann das Leben kosten.«
Talon nickte, obwohl er diese letzte Bemerkung seltsam
fand. Er sagte: »Pasko, kann ich mit dir reden?«
»Worüber?«, wollte der ältere Mann wissen.
»Über mein Leben.«
»Darüber solltest du mit Robert sprechen«, erklärte Pasko.
»Er wird dich im Lauf der Zeit schon wissen lassen, was er
erwartet, da bin ich sicher.«
»Wenn bei meinem Volk ein Junge zum Mann wird, gibt
es immer andere Männer, die bereit sind, ihn anzuleiten und
ihm zu helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.« Talon hielt inne und starrte einen Moment ins Leere, als sähe er
etwas durch die Scheunenwände. »Ich habe …«
Pasko sagte nichts, sondern blickte den Jungen nur forschend an.
Talon schwieg eine Weile, dann machte er sich wieder an
die Arbeit an dem Ledergeschirr. Nach längerer Zeit sagte er:
»Ich hätte heiraten sollen. Ich hätte bei den Männern im
Langhaus sitzen sollen, bei der Jagd mitmachen, Felder
bebauen, Kinder zeugen. Ich weiß, wozu ich geboren wurde,
Pasko.« Er hielt inne und sah den älteren Mann an. »Und die
anderen Männer hätten mich in diesen Dingen angeleitet.
Aber nichts davon zählt jetzt mehr. Ich bin hier, in dieser
Scheune, zusammen mit dir, und ich weiß nicht, was das Leben für mich bereithält. Was wird aus mir werden?«
Pasko seufzte und legte den Lederriemen hin, an dem er
arbeitete. Er blickte Talon in die Augen und legte dem Jungen
die Hand auf die Schulter. »Dinge ändern sich manchmal sehr
schnell, Junge. Nichts ist ewig. Vergiss das nicht. Aus irgendeinem Grund haben die Götter dich als Einzigen von deinem
Volk verschont. Man hat dir dein Leben aus einem bestimmten Grund geschenkt. Ich maße mir nicht an, diesen Grund zu
kennen.« Er hielt inne, als müsse er einen Moment darüber
nachdenken, was er als Nächstes sagen wollte, dann fügte er
hinzu: »Vielleicht wird es deine erste Aufgabe sein, diesen
Grund herauszufinden. Ich denke, du solltest heute Abend mit
Robert sprechen.« Er legte den Lederriemen nieder und setzte
dazu an, die Scheune zu verlassen. Über die Schulter hinweg
sagte er: »Ich werde mit ihm reden und ihn fragen, ob er mit
dir sprechen will.«
Talon blieb allein in der Scheune zurück. Er betrachtete die
Arbeit, die vor ihm lag, und erinnerte sich an etwas, was sein

Weitere Kostenlose Bücher