Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1
Abend kehrten die beiden Jäger ins Gasthaus zurück, Caleb mit einer Hirschkuh über der Schulter und Talon mit zwei
wilden Truthähnen, die er an den Füßen zusammengebunden
hatte.
Robert wartete am Tor. Als sie es erreichten, tauchte auch
Gibbs auf und nahm Talon die Truthähne ab. Robert warf
Caleb einen Blick zu.
Caleb erklärte: »Der Junge kann jagen.«
Talon sah, wie ein Ausdruck von Zufriedenheit über Roberts Gesicht huschte. Er war nicht sicher, was die unausgesprochene Bedeutung hinter Calebs Worten war, aber er war
überzeugt, dass es dabei um mehr als um Wild und die Wälder ging.
Caleb folgte Gibbs zur Seite des Gasthauses, wo sich die
Küchentür befand.
Robert legte die Hand auf Talons Schulter. »Und das war
erst der Anfang.«
Drei
Diener
Talon schwitzte.
Von dem Bach aus, der durch den Wald floss, folgte er Lela den Hügel hinauf zurück zum Gasthaus, einen großen Korb
mit klatschnasser Wäsche auf dem Rücken. In der ganzen
letzten Woche hatte er mit der jungen Frau zusammengearbeitet und ihr die schweren Arbeiten abgenommen.
Das Seltsame dabei war jedoch gewesen, dass Robert darauf beharrte, sie solle ausschließlich in der Sprache von Roldem mit ihm reden und ihm nur dann antworten, wenn er eine
Frage richtig formulierte. Ein paar Wörter in dieser Sprache
kamen auch in der Allgemeinen Sprache vor, aber die war
überwiegend eine Mischung aus Keshianisch und der Sprache
des Königreichs, die sich durch viele Jahre des Handels an der
Grenze dieser beiden riesigen Länder entwickelt hatte.
Talon stellte zu seiner Überraschung fest, dass er ein Ohr
für Sprachen hatte, und schnappte von dem stets gut gelaunten
Mädchen vieles auf.
Sie war fünf Jahre älter als er, und wenn man ihr glauben
durfte, war sie auf seltsamen Umwegen ins Gasthaus gelangt.
Sie behauptete, einmal im Dienst der Prinzessin von Roldem
gestanden zu haben, die auf dem Weg zu einer aus politischen
Gründen arrangierten Heirat mit einem Adligen am Hof des
Prinzen von Aranor gewesen war. Je nachdem, wie gut Talon
die Sprache verstand und wie oft das Mädchen die Geschichte
veränderte, war Lela entweder von Piraten oder Banditen entführt und in die Sklaverei verkauft worden, aus der sie entweder von einem Wohltäter freigelassen worden oder geflohen
war. Jedenfalls hatte das Mädchen von dieser fernen Insel in
der See des Königreichs seinen Weg zu Kendrick gefunden,
wo es nun die letzten beiden Jahre gearbeitet hatte.
Lela war immer guter Laune, stets bereit zu einem Scherz
und sehr hübsch. Und Talon begeisterte sich schnell für sie.
Der Gedanke an Teal Eye, die irgendwo mit dem Rest ihrer
Familie lag, tot, unbegraben und Fraß für die Aasfresser, quälte ihn immer noch. Aber nun schob er diese Bilder rasch wieder beiseite und stapfte weiter mit dem riesigen Korb den Abhang hinauf.
Lela hatte sich mit Talons Hilfe ersparen wollen, mehrmals
hintereinander zum Bach gehen zu müssen. Also hatte sie
einen Korb gefunden, der vier Fuß hoch war, und Riemen
daran befestigt, so dass Talon ihn auf dem Rücken den Berg
hinauftragen konnte. Die Kleider zum Bach hinunterzutragen,
war der leichtere Teil der Arbeit; das klatschnasse Zeug zum
Gasthaus zurückzubringen, war schon schwieriger.
»Caleb sagt, du wärst ein guter Jäger.«
Talon zögerte einen Augenblick, als müsse er über die
Worte nachdenken, bevor er antwortete: »Ich habe mein Leben lang gejagen.«
Sie verbesserte seine Grammatik, und er wiederholte, was
sie gesagt hatte: »Ich habe mein Leben lang gejagt.«
Talon spürte, wie er gereizter wurde, als Lela weiterschwatzte. Die Hälfte dessen, was sie sagte, begriff er nicht,
und die andere Hälfte war überwiegend Küchentratsch und
drehte sich um Menschen, die er kaum oder nur flüchtig kannte. Er strengte sich an, mehr zu verstehen, aber es gelang ihm
nicht sonderlich gut.
Er war in mehr als nur einer Hinsicht verwirrt. Er schlief
immer noch in der Scheune, nun allerdings als Einziger, da
Pasko irgendeinen Auftrag für Robert außerhalb erledigte.
Von Robert selbst bekam er wenig zu sehen, und dann nur
durch ein Fenster des Gasthauses, oder wenn Robert vom
Gasthaus zur Latrine ging. Hin und wieder blieb der Mann,
der Talons Leben gerettet hatte, bei ihm stehen und sagte ein
paar Worte, entweder in der Händlersprache oder auf Roldemisch. Bei Letzterem antwortete er nur dann, wenn Talon
ebenfalls diese Sprache benutzte.
Talon durfte das Gasthaus immer noch nicht betreten. Das
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