Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 2
gegenübersaß, tat es ihm
nach. Der Mann zu seiner Rechten lachte, als er die
Münzen einsammelte. »Nicht Euer Abend, wie, Junker?«
Tal lächelte. »Ich kann nicht immer gewinnen.
Dann würde es ja keinen Spaß mehr machen, oder,
Burgess?«
Tal spielte Karten in einer bescheidenen Schänke,
dem Schwarzen Stier, in der Nähe des Nordtors der
Stadt. Hierhin kamen überwiegend Leute aus dem
Viertel und hin und wieder ein Bauer oder Müller,
wenn sie die Stadt besuchten.
Tal war Kaspars Anweisungen gefolgt. Er hatte
die letzten Tage und Abende damit verbracht, so viel
wie möglich über Rillanon herauszufinden. Wie er
angenommen hatte, hatte Kaspar ihn nach seinem
ersten Ausflug in die Stadt mit Fragen überschüttet.
Er fragte nach den wichtigsten Kreuzungen, danach,
wo die Soldaten der Krone stationiert waren und
welche Art von Menschen sich nach Einbruch der
Dunkelheit noch auf der Straße befanden. Jeden Tag
erforschte Tal die Stadt weiter, und jeden Tag beantwortete er weitere Fragen. Tals Fähigkeiten als Jäger
und Spurensucher und sein Orientierungssinn halfen
ihm dabei sehr. Nach diesen paar Tagen hätte er
wahrscheinlich einen fast fehlerfreien Plan der Stadt
zeichnen können.
Kaspar wies ihn an, seine Erkundungen bis Ende
der Woche fortzusetzen, dann würde er mit seinem
Gefolge aufbrechen. Tal hatte einige der schäbigeren
Hafenkneipen und ein paar sehr luxuriöse Bordelle,
teure und billige Spielhöllen und beinahe jede
Schänke aufgesucht, die erwähnenswert war. Er bedauerte nur, dass es in Rillanon keines der Speisegasthäuser gab, die in Roldem so modern waren, und
dementsprechend das Essen außerhalb des Palastes
eher zu wünschen übrig ließ.
»Ihr seid dran«, sagte der Kaufmann.
Tal griff nach den Karten und begann zu mischen.
Er hatte Lyman Burgess am Abend zuvor in einem
Spielsalon nahe dem Hauptmarkt kennen gelernt,
und der freundliche Luxuswarenhändler hatte vorgeschlagen, sie sollten sich in diesem Gasthaus treffen.
Wie versprochen war es ein gemütliches kleines
Haus mit gutem Essen, besserem Wein und einer angenehmen Pokerrunde.
Jeder warf eine Münze auf den Tisch, und Tal gab
die Karten. Burgess hatte schon am Abend zuvor
seinem Interesse Ausdruck verliehen, Tal kennen zu
lernen, nachdem er erfahren hatte, wer der junge
Mann war. Auch ein paar andere hatten den Namen
des Siegers beim Turnier der Meister erkannt, aber
Burgess hatte sich mehr für Tals Stellung am Hof
von Herzog Kaspar interessiert. Der Kaufmann handelte mit seltenen Waren, Edelsteinen, Schmuck,
kunstvollen Statuen und anderen wertvollen Dingen.
Seine Kunden waren sehr wohlhabende Bürger und
die Adligen der Stadt, darunter auch die königliche
Familie, die angeblich schon mehrfach Burgess’ Waren erworben hatte. Der Kaufmann versuchte nicht,
sein Interesse an einer Bekanntschaft mit dem Herzog zu verbergen.
Tal betrachtete seine Karten und sah keine Hoffnung auf eine bessere Hand. Als es an ihm war, den
Einsatz zu erhöhen, gab er abermals auf. Bei den
nächsten Runden hatte er stets mittelmäßige Karten,
und dann war es wieder an ihm zu geben. Während
er die Karten austeilte, sah er sich um. Außer ihm
und seinen vier Partnern waren noch ein halbes Dutzend anderer Männer im Raum. Einer von ihnen war
Amafi, der in diskreter Entfernung saß und alles beobachtete. Nach dem Austeilen warf Tal seinen Einsatz auf den Tisch und wartete. Als ginge es ihm nur
um beiläufige Konversation, fragte er Lyman: »Habt
Ihr je unten in Roldem Handel getrieben?«
Burgess nahm seine Karten auf. »Nein, nicht wirklich. Ich habe hier ein paar Dinge an Kaufleute aus
Roldem verkauft, bin aber nie selbst dort gewesen.«
»Ihr solltet Euch die Stadt einmal ansehen«, riet
Tal und betrachtete seine Karten. Endlich hatte er ein
Blatt, das es wert war weiterzuspielen, also wartete
er. Dann erhöhte er den Einsatz. Er legte zwei Karten
ab, nahm zwei neue und sagte: »Ein guter Markt für
Luxusgüter, würde ich sagen.«
Burgess betrachtete seine Karten. »Das habe ich
gehört. Aber es ist schwierig, dort Fuß zu fassen. Es
gibt dort sehr alte Firmen, die den Handel fest in der
Hand haben.« Er schüttelte den Kopf. »Das hier
bringt nichts«, murmelte er und legte die Karten hin.
»Ich habe einen Freund in Roldem«, sagte Tal. »Er
ist ein Mann von den Inseln. Er könnte Euch vielleicht helfen.«
»Tatsächlich?«
Tal zeigte seine Karten, gewann und sammelte mit
leisem Lachen die Münzen ein. »Das Glück hat sich
gewendet.« Während
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