Feist, Raymond - Die Erben von Midkemia 3
töten, wusste Kaspar, dass er tatsächlich ein guter Mann war. Er war seiner verstorbenen Frau ein guter Ehemann gewesen, und er liebte seine Kinder. Soweit Kaspar es beurteilen konnte, war es eine verdammt gute politische Verbindung. Es würde Stabilität in die Region bringen und es den Geiern schwer machen, an den Knochen von Olasko zu picken.
Dennoch, selbst jetzt, Stunden später, nagte der Verlust seines Herzogtums noch an ihm. Er lehnte sich zurück. Es war nicht sein Herzogtum. Sicher, es war sein Zuhause, aber er herrschte hier nicht mehr, und er würde seinen Thron auch nicht zurückerobern.
Was als verrückter Racheplan begonnen hatte, war schon lange zu einem verzweifelten Rennen gegen eine unerbittliche Gefahr geworden, die diese Stadt, sein Land, seine Schwester und ihr ungeborenes Kind vernichten würde. Rache war kein Thema mehr… und nicht einmal wünschenswert. Wenn er ehrlich war, hätte er im umgekehrten Fall Tal Hawkins niemals vergeben. Er hätte ihn umgebracht.
Kaspar stand auf, um in sein Zimmer zurückzukehren, und bemerkte einen Mann in der Ecke, der ihn anschaute. Er hatte den schlanken älteren Mann gesehen, als dieser früher an diesem Nachmittag das Gasthaus betrat, und etwas vage Vertrautes an ihm bemerkt, aber die Züge des Mannes waren unter einem großen Hut verborgen geblieben, und in der Ecke war er in Dunkelheit gehüllt. Ein paar Mal hatte Kaspar in seine Richtung geschaut, und jedes Mal schien der Mann in Gedanken versunken zu sein, als brütete er über den Inhalt seines Bierkrugs. Diesmal jedoch sah er Kaspar einen Moment lang in die Augen, dann wandte er den Blick wieder ab und beugte sich erneut über seinen Krug.
Kaspar ging auf die Tür zur Treppe zu, dann drehte er sich im letzten Augenblick um und überbrückte mit zwei Schritten die Entfernung zwischen ihnen.
Der andere Mann war schnell, und Kaspar hatte das gewusst. Er war sogar sehr schnell für jemanden, der aufstehen und eine Waffe ziehen musste.
Kaspar konnte den Dolchstoß gerade noch mit seinem eigenen Dolch abwehren, dann benutzte er seinen Vorteil an Größe und Kraft, um den anderen aus dem Gleichgewicht zu bringen. Der Mann fiel über seinen Stuhl und schlug mit dem Kopf gegen die Wand.
Männer machten ihnen Platz, denn Schlägereien waren in diesem Gasthaus an der Tagesordnung, und niemand mischte sich ein, solange man nicht wusste, wer gegen wen stand, vor allem, wenn Waffen verwendet wurden.
Bis der Wirt herübergekommen war, bewaffnet mit einer Keule, die er in die Handfläche seiner fleischigen Hand schlug, hatte Kaspar den Mann an die Wand gedrückt; sein Dolch lag unter Kaspars Stiefel, und die Klinge des ehemaligen Herzogs befand sich an der Kehle des Mannes.
»Guten Tag, Amafi«, sagte Kaspar. »Wie möchtest du mit dieser Situation umgehen, sodass weder ich noch Talwin Hawkins dir die Kehle durchschneiden?«
Der ehemalige queganische Attentäter, der mehr als ein Jahr Talwin Hawkins’ Leibdiener gewesen war, bevor er ihn verraten hatte und geflohen war, sagte: »Euer Wohlgeboren! Ich hätte Euch beinahe nicht erkannt.«
Mit einem Grinsen flüsterte Kaspar, sodass die anderen in der Schankstube ihn nicht hören konnten:
»Aber du hast mich erkannt, nicht wahr? Und was hattest du vor? Wolltest du meinen Kopf gegen deine Freiheit tauschen?«
»Nein, Herr, so etwas würde ich nie tun«, flüsterte Amafi. »Ich bin wie Ihr selbst ein Mann, der bessere Zeiten erlebt hat. Beinahe ein Jahr habe ich von der Hand in den Mund gelebt und war gezwungen, die niedrigsten Arbeiten anzunehmen, um überleben zu können. Ich hatte Angst, dass Ihr mich erkennen würdet. Ich wartete nur darauf, dass Ihr Euch zurückzieht, damit ich unbemerkt gehen konnte.«
Kaspar richtete sich auf, und der Wirt spürte, dass der Kampf vorüber war, drehte sich um und kehrte hinter die Theke zurück. Kaspar streckte die Hand aus und zog Amafi auf die Beine. »Du bist ein Lügner und ein Verräter, und ich glaube keinen Moment, dass du nicht, sobald ich in meinem Zimmer gewesen wäre, zur Zitadelle gerannt wärst, um mein Leben gegen deine Freiheit einzutauschen. Aber es sieht so aus, als könnte ich dich brauchen, und vielleicht können wir beide die Köpfe auf den Schultern behalten. Komm, das hier ist nicht der richtige Ort, um alte Geschichten auszutauschen.«
»Ganz Eurer Meinung.«
Kaspar ging an die Theke und kaufte eine Flasche Wein und zwei Becher. Er bedeutete dem Attentäter, vor ihm den Flur
Weitere Kostenlose Bücher