Feist, Raymond - Die Erben von Midkemia 3
Unüberlegtheit verzeihen, aber mein ehemaliger Herr wird das ganz bestimmt nicht tun. Immerhin war ich es, der ihn an Euch verraten hat.«
»Und ich habe sein Volk vernichtet, und dennoch hat er mir verziehen. Ich denke, er wird auch geneigt sein, dich aus der Stadt zu schaffen, statt dich zu hängen, wenn du uns erst zusammengebracht hast. Er wird dann nämlich erheblich wichtigere Dinge im Kopf haben.«
»Nun, dann bin ich Euer Mann. Wieder einmal, Euer Wohlgeboren. Es war ein schweres Jahr, und wenn ich von Eurem Äußeren ausgehe, trifft das auch auf Euch zu. Ich habe fast zehn Minuten gebraucht, um Euch zu erkennen.«
»Tatsächlich?«
»Wisst Ihr wirklich nicht, wie sehr Ihr Euch verändert habt? Ihr müsst Euch einmal im Spiegel betrachten, Euer Wohlgeboren. Ihr werdet Euch selbst kaum erkennen.«
»Ich könnte ein Bad und frische Kleidung brauchen«, gab Kaspar zu.
»Dann sagt mir, was ich tun soll, und während ich morgen früh damit beginne, geht Ihr ins Badehaus und dann zu einem Schneider. Falls ich meinen ehemaligen Herrn finden kann, solltet Ihr so gut wie möglich aussehen, wenn Ihr ihm begegnet.«
»Wie meinst du das, >finden Ich dachte, er wäre hier in der Stadt und würde sich um alles kümmern.«
»Kaum. Er hat es Eurem ehemaligen Hauptmann Quentin Havrevulen zusammen mit den Grafen Stolinko und Visniya überlassen, im Namen Eurer Schwester zu herrschen, bis sich eine bessere Lösung gefunden hat. Und das ist geschehen, als der König von Roldem Herzog Rodoski zum neuen Herzog von Olasko ernannt und ihn mit Eurer Schwester verheiratet hat.«
»Der König von Roldem? Und Kesh und die Inseln haben sich das gefallen lassen?«
»Ihnen blieb nichts anderes übrig. Hawkins hat Olasko zu einer Provinz von Aranor gemacht, und beide zu Vasallen von Roldem.«
Kaspar war verdutzt. »Wir sind jetzt also Teil von Roldem?«
»Ja, und bisher scheint das zu funktionieren. Zumindest sind die Steuern nicht gestiegen, und keine fremden Armeen marschieren durch die Straßen, also ist die Bevölkerung zufrieden.«
»Ich habe Hawkins an mehr als nur einer Front unterschätzt. Aber wo ist er jetzt?«
»Es heißt, er hat ein Mädchen seines Volkes gefunden und ist in die Berge zurückgekehrt. Ich werde ein bisschen Gold brauchen, um mehr herauszufinden.«
»Das wirst du bekommen. Und während ich an meinem Äußeren arbeite, erwarte ich, dass du dieses Gold weise einsetzt. Find heraus, wo mein alter Feind sich aufhält, denn es ist von äußerster Wichtigkeit, dass ich mit ihm spreche.«
»Jawohl, Euer Wohlgeboren, obwohl ich es seltsam finde, dass Ihr so bemüht seid, Euren ehemaligen Vasallen zu finden, ihn aber nicht töten wollt.«
»Oh, ich würde ihn gerne umbringen«, sagte Kaspar. »Ich habe mich nicht so sehr verändert. Aber im Augenblick gibt es erheblich wichtigere Dinge als Rache.«
»Dann werde ich tun, was ich kann.«
Kaspar sagte: »Mehr kann ich nicht verlangen. Du kannst hier auf dem Boden schlafen. Aber keine Tricks -mein regloser Diener da drüben ist durchaus imstande, dir die Arme auszureißen, wenn du versuchst, mich umzubringen, während ich schlafe.«
Amafi warf einen Blick zu dem Talnoy und nickte.
»Dieses Ding hat etwas ausgesprochen Bösartiges an sich, und es mag zwar nichts weiter als eine Rüstung sein, die Ihr aus welchen Gründen auch immer dort aufgestellt habt, aber ich würde nicht im Traum daran denken, Euch etwas anzutun, Euer Wohlgeboren.
Zumindest nicht, wenn ich nicht davon profitieren kann.«
Kaspar lachte, dann legte er sich aufs Bett. »Blas die Kerze aus und schlaf. Wir haben morgen viel zu tun.«
Amafi hatte Recht gehabt. Nur wenige würden ihn erkennen. Kaspar betrachtete sich im Spiegel, einem schönen Stück polierten Glases mit Silberrückseite.
Er hatte oben in der Zitadelle einmal selbst einen so guten Spiegel gehabt, aber keinen mehr gesehen seit… Er lachte.
Der Schneider fragte: »Mein Herr?«
»Es ist nichts. Ich musste nur daran denken, was meine alten Freunde wohl sagen würden, wenn sie mich jetzt sehen könnten.«
»Sie würden sagen, dass Ihr ein Mann von außergewöhnlichem Urteilsvermögen und hervorragendem Geschmack seid.«
Er war in ein Badehaus gegangen und sauberer herausgekommen, als er im gesamten letzten Jahr gewesen war. Dann hatte er einen Barbier kommen und sein Haar auf ansehnliche Länge zurückstutzen lassen, ein wenig kürzer, als er es vor seinem Exil getragen hatte. Als Herzog hatte er sich stets die
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