Feist, Raymond - Die Erben von Midkemia 3
wollen, wieso er nicht übersetzte. Er rief zurück: »Ja, ich.«
»Bleibt bis zum Morgen hier. Dann wird ein Zollbeamter an Bord kommen. Wenn einer von euch vorher an Land geht, wird er als Schmuggler aufgehängt.«
Kaspar rief zurück: »Wir haben verstanden!« Er übersetzte für Berganda.
Der Kapitän lachte. »Meint er das ernst?«
»Er ist ein ernster junger Beamter im Dienst des Herzogtums, also meint er es selbstverständlich ernst. Die Drohung an sich jedoch ist es nicht. Der Schmuggel findet überwiegend auf den Inseln statt, an denen wir vorbeigekommen sind. Jeder, der dreist genug ist, direkt im Haupthafen zu schmuggeln, verdient es wahrscheinlich, davonzukommen. Nein, sie versuchen nur, dafür zu sorgen, dass wir nicht an Land gehen, uns besaufen und eine Schlägerei anfangen und dann im Gefängnis landen, noch bevor Ihr Eure Fracht verkauft habt und sie Euch dafür zahlen lassen können.«
»Wie Ihr meint, Kaspar«, sagte der Kapitän.
»Dennoch, ich denke, sobald Ihr an Land seid, werde ich meine Jungs bis zum Morgen hier behalten.«
»Was werdet Ihr tun, wenn einer nach dem Seemann fragt, der Olaskisch spricht?«
Wieder lachte der Kapitän. »Nichts. Wir finden eine Möglichkeit zu kommunizieren, und wenn hier irgendwer Queganisch spricht und das mit unserer Sprache verwandt ist, schaffen wir es schon. Der ernste junge Zollbeamte hat sich offenbar darüber geirrt, auf welchem Schiff, das heute Abend vor Anker ging, jemand Eure Sprache beherrschte. Es kommen sicher jeden Tag viele ausländische Schiffe in diesen Hafen.«
Kaspar lachte. »Stellt Euch dumm, und sie werden es Euch abnehmen. Und nun lasst bitte ein Boot zu Wasser, sobald es dunkel wird, und ich sage Euren Jungs, wohin sie mich bringen sollen.« Er griff in sein Hemd. »Hier sind die anderen zweihundert, und noch hundert dazu. Nur um dafür zu sorgen, dass Ihr genug Gold habt, um Eure Frau zu beruhigen, falls Euer Schwager sich entschließen sollte, Seemann zu werden.«
»Ich danke Euch«, sagte der Kapitän. Er informierte seine Mannschaft, dass nach Einbruch der Dunkelheit auf der vom Hafen abgewandten Seite ein Boot zu Wasser gelassen würde.
Kaspar kehrte in seine Kabine zurück und wartete.
Das Gasthaus war ein wenig abgelegen und still.
Es war die Art von Ort, an die Kaspar während seines ganzen Lebens in dieser Stadt nie einen Fuß gesetzt hatte. Es war bei Hafenarbeitern, Stauern, Kutschern, Lastenträgern und anderen rauen Männern beliebt. Es war die Art von Ort, wo man beide Augen zudrückte, wenn etwas geschah.
Kaspar und der Talnoy hatten zwei Tage zuvor ein Zimmer im hintersten Winkel des oberen Stockwerks genommen.
Kaspar verhielt sich unauffällig, hörte sich um und versuchte, Kontakt zur Unterwelt von Opardum zu finden. Er dachte daran, eine Botschaft zu seiner Schwester in den Palast zu schicken, aber er musste immer noch die Neuigkeiten verdauen, die er zuvor an diesem Tag erhalten hatte. Er war gerade mit dem Mittagessen fertig gewesen, als zwei Wachtmeister den Schankraum betraten.
Sie waren durch den Raum gegangen, hatten sich umgesehen und waren nach ein paar Minuten wieder verschwunden. Etwas hatte Kaspar verblüfft, und er winkte die Kellnerin zu sich.
»Ja?«
»Ich war lange nicht mehr in Opardum – was war das für ein Wappen, das diese Wachtmeister an ihren Schultern trugen? Ich habe es nicht erkannt.«
»Es ist ein neues Wappen, Herr. Wir haben einen neuen Herzog.«
Kaspar wurde kalt, und er stellte sich dumm. »Tatsächlich? Ich war auf See. Was ist passiert?«
Sie lachte. »Ihr müsst auf der anderen Seite der Welt gewesen sein.«
»Das ist durchaus möglich«, erwiderte er.
»Nun, es gab Krieg, und der alte Herzog Kaspar wurde vertrieben. Ich habe gehört, sie haben ihn an einen höllischen Ort verbannt, aber Ihr wisst, wie das mit dem Klatsch ist. Er verfault wahrscheinlich tief in seinem eigenen Kerker. Jetzt herrscht hier Herzog Varen.«
»Herzog Varen?«, fragte Kaspar erschrocken. War es Leso Varen irgendwie gelungen, die Situation doch noch zu seinem Vorteil zu wenden?
»Ja. Sieht so aus, als wäre er ein netter Mann; er stammt aus Roldem. Hat die Schwester des alten Herzogs geheiratet, und jetzt erwartet sie ein Kind.«
»Herzog Varian Rodoski?«
»Ja, genau. Scheint für einen Adligen ein ganz vernünftiger Mann zu sein.«
Nachdem sie wieder weg war, hätte Kaspar beinahe laut gelacht. Halb vor Erleichterung, denn trotz seiner Versuche in der Vergangenheit, Rodoski zu
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