Feist, Raymond - Die Erben von Midkemia 3
behielt er diesen Schlafplatz nur noch bei, um Jojanna so viel Abgeschiedenheit zu geben, wie es in einem einzigen Raum möglich war, und auch aus Sicherheitsgründen. Wer immer versuchte, durch die Tür zu kommen, würde ihn zunächst einmal wegschieben müssen.
Er hatte immer noch keine rechte Vorstellung von der Umgebung des Hofs, bezweifelte aber nicht, dass man hier ununterbrochen irgendwelchen Gefahren ausgesetzt war. Banditen und umherstreifende Söldnerbanden waren in dieser Gegend nicht unbekannt, aber der Hof lag weit genug von der alten Hochstraße entfernt – der, die Kaspar entlang gestolpert war –, dass sich nur wenige Reisende hier sehen ließen.
Kaspar streckte sich abermals und freute sich an der Kraft seiner Muskeln. Er hatte in den drei Tagen ohne Essen und Wasser Gewicht verloren, und nun trug die ununterbrochene Arbeit auf dem Hof dazu bei, dass er weiter abnahm. Der ehemalige Herzog von Olasko war ein breitschultriger Mann und hatte sein Gewicht stets ohne Anstrengung getragen, und er hatte es genossen, sich Spezialitäten und Wein der besten Qualität vorsetzen zu lassen. Nun musste Kaspar die Kleidung des verschwundenen Bandamin tragen, weil seine eigene Hose zu weit geworden war. Er ließ seinen zuvor so ordentlich gestutzten Bart wachsen, denn er hatte weder ein Rasiermesser noch einen Spiegel. Wenn er morgens vor dem Waschen sein Spiegelbild im Wassereimer erblickte, erkannte er sich kaum wieder – sonnenverbrannt, mit dichterem, längerem Bart und schmalerem Gesicht.
Er war nicht einmal zwei Wochen hier – wie würde er nach einem Monat aussehen? Kaspar wollte nicht darüber nachdenken; er hatte vor, so viel wie möglich von diesen Leuten zu lernen und dann aufzubrechen, denn seine Zukunft lag sicher nicht in der Landwirtschaft, ganz gleich, was das Schicksal noch für ihn bereithalten mochte. Er fragte sich allerdings, wie Jojanna zurechtkommen würde, wenn er den Hof wieder verließ.
Jörgen versuchte, Kaspar zu helfen, aber er war erst acht Jahre alt, und häufig lenkten seine Jungeninteressen ihn ab. Zu seinen Aufgaben gehörte es, die Kuh zu melken, die ihr Kalb verloren hatte, die Hühner zu füttern, die Zäune zu inspizieren und andere kleine Arbeiten zu erledigen, die auch ein kleiner Junge tun konnte.
Jojanna hatte so viel von der Arbeit ihres Mannes übernommen, wie sie konnte, aber vieles war einfach unmöglich. Kaspar konnte sich kaum jemanden vorstellen, der schwerer arbeitete, aber selbst sie konnte nicht an zwei Orten gleichzeitig sein. Dennoch, er staunte über ihren Fleiß; sie stand vor dem Morgengrauen auf und legte sich erst Stunden nach Sonnenuntergang ins Bett, um dafür zu sorgen, dass der Hof ebenso bewirtschaftet wurde, wie ihr Mann ihn zurückgelassen hatte.
Kaspars Ländereien wurden von hunderten von Pächtern bewirtschaftet, aber er hatte nie über ihre Arbeit nachgedacht und sie stets für selbstverständlich gehalten. Nun erst lernte er zu schätzen, was sie leisteten. Jojanna und Jörgen führten im Vergleich zu vielen Bauern in Olasko ein gutes Leben, denn ihr Land gehörte ihnen selbst, und sie hatten eine kleine Herde und konnten einen Teil der Ernte verkaufen.
Aber wenn Kaspar ihre Situation mit seinem alten Leben verglich, erkannte er, dass sie beinahe in Armut lebten. Wie viel ärmer waren dann die Bauern in seinem eigenen Land?
Sein Land, dachte er verbittert. Man hatte ihm sein Geburtsrecht genommen, und er würde es sich zurückholen oder bei dem Versuch sterben.
Jörgen kam mit der Axt zurück, und Kaspar machte sich daran, den Stamm kleiner zu hacken.
Nach einer Weile fragte der Junge: »Warum spaltest du es nicht?«
»Was?«
Jörgen grinste. »Ich zeige es dir.« Er rannte zurück zum Schuppen und kam mit einem Metallkeil zurück. Er steckte das spitze Ende des Keils in eine Kerbe und hielt es fest. »Schlag mit der Rückseite der Axt darauf«, sagte er.
Kaspar warf einen Blick auf die Axt und sah, dass die Rückseite schwer und flach war, beinahe wie ein Hammer. Er packte die Axt entsprechend und schlug zu, was den Keil ins Holz trieb. Jörgen zog lachend die Hand weg und schüttelte sie. »Meine Finger kribbeln immer davon!«
Kaspar schlug noch dreimal fest auf den Keil, und dann spaltete sich der Stamm mit einem Knacken in der Mitte. »Man lernt jeden Tag etwas dazu«, murmelte Kaspar, »wenn man sich nur die Zeit dazu nimmt.«
Der Junge sah ihn verwirrt an und fragte: »Was?«
Kaspar erkannte, dass er die Sprache von
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