Feist, Raymond - Die Erben von Midkemia 3
oder Artefakt. Es ist mehr als das.«
»Was denn?«, fragte Kaspar.
»Das werde ich erst wissen, wenn ich es sehe.«
Kenner und Flynn kamen aus dem Gasthaus, und Kenner stellte Flynn dem alten Mönch vor. Kaspar sagte: »Wir haben hier offenbar etwas Unerwartetes.
Weitere Meister vom Tempel sind auf dem Weg hierher.«
»Warum?«, fragte Flynn. »Was ist so unerwartet?«
»Ich werde es nicht wissen, bevor ich gesehen habe, was dort drin ist«, erwiderte der alte Mönch und näherte sich langsam dem Wagen.
Kaspar sprang auf das Wagenbett, zerrte den Werkzeugkasten unter dem Kutschbock hervor und zog die Plane beiseite. Er benutzte ein Brecheisen, um den Deckel vom Sarg zu stemmen.
Der alte Mönch ging zur Seite des Wagens, konnte aber von dort nicht in den Sarg schauen. Kaspar streckte die Hand aus, und der alte Mann packte sie mit überraschender Kraft und ließ sich auf den Wagen helfen.
Der Mönch drehte sich um und blickte auf die schwarze Rüstung hinab. Er öffnete den Mund, sagte aber kein Wort. Er atmete tief aus, wie bei einem erleichterten Seufzer, dann verdrehte er die Augen und brach zusammen. Kaspar packte ihn rasch, damit er nicht hinfiel, und dann reichte er die schlaffe Gestalt zu Kenner und Flynn hinunter, die sie vorsichtig auf den Boden legten.
Kenner kniete sich neben Meister Anshu. »Er lebt.«
Kaspar drehte sich um und schaute in den Sarg.
Einen Moment lang glaubte er, eine Spur von Bewegung hinter dem Augenschlitz zu erkennen. Aber dann war nichts mehr zu sehen.
»Sieh zu, ob du ihn wieder aufwecken kannst«, sagte er und sprang vom Wagen.
Ein paar Minuten später betraten drei weitere Mönche den Hof, und als sie noch ein paar Fuß von der Stelle entfernt waren, wo sich Kenner, Kaspar und Flynn um den bewusstlosen Mönch versammelt hatten, blieben sie stehen.
Der Anführer der drei war ein kräftig aussehender Mann in mittleren Jahren mit einer erstaunlichen grauen Strähne in seinem ansonsten schwarzen Haar, das ihm bis auf die Schultern fiel. Er trug ein Gewand im selben Schnitt wie die anderen, aber es war schwarz statt braun. »Bitte tretet von Meister Anshu weg«, sagte er.
Kaspar und die anderen taten, was man ihnen gesagt hatte, und der Mönch im schwarzen Gewand machte einen Schritt vorwärts, begann zu rezitieren und bewegte die Hände in einem komplizierten Muster durch die Luft. Die beiden anderen Mönche senkten die Köpfe wie im Gebet.
Kaspar hörte und sah nichts Ungewöhnliches, aber plötzlich sträubten sich die Haare auf seinen Armen und im Nacken! Er drehte sich um und sah, dass der Wagen von einem pulsierenden Licht umgeben war.
Die Pferde in ihren Boxen begannen, aufgeregt zu wiehern, und Kaspar und die anderen machten einen weiteren Schritt rückwärts.
Dann war das Licht verschwunden, und die zwei Mönche in Braun eilten vorwärts, um sich um Meister Anshu zu kümmern. Der schwarz gewandete Mönch ging entschlossen an den beiden anderen vorbei und kletterte auf den Wagen. Er warf einen langen Blick auf die Gestalt in dem Sarg, dann legte er den Deckel wieder darauf. Er nahm den Hammer aus der Werkzeugkiste und nagelte den Sarg mit geschickten Schlägen wieder zu.
Meister Anshu begann, sich zu rühren. Er stand auf und ging zu Kaspar und den anderen. Ohne weitere Erklärung verlangte er: »Dieses Ding muss morgen von hier weggebracht werden.«
Er drehte sich um und wollte gehen, und die anderen folgten ihm, aber Kaspar rief: »Wartet bitte einen Moment.«
Der Mönch in Schwarz blieb stehen.
»Meister Anshu sagte, die Rüstung sei falsch. Ist sie verflucht?«, fragte Kaspar.
»Unser Meister hat Recht. Das Ding in dem Sarg ist nicht verflucht, aber es ist falsch. Ihr müsst es schnell von hier wegbringen.«
»Könnt Ihr uns helfen?«
»Nein«, erwiderte der Mönch im schwarzen Gewand. »Ich bin Yongu, und ich sorge für die Sicherheit im Tempel. Das Ding muss hier weggebracht werden, und je länger Ihr wartet, desto größer wird der Schaden sein.«
»Wohin sollen wir gehen?«, fragte Flynn.
Yongu sagte: »Das weiß ich nicht, aber wenn Ihr hier bleibt, werden unschuldige Menschen leiden.«
»Warum die Eile?«, fragte Kaspar.
»Weil das Ding in dem Sarg ungeduldig wird. Es möchte woanders sein.«
Kaspar sah die anderen an, dann fragte er: »Aber wo?«
Meister Anshu warf leise ein: »Es wird Euch sagen, wo Ihr hingehen sollt.«
»Wie?«, fragte Flynn.
»Wenn Ihr den falschen Weg einschlagt, werdet Ihr sterben. Solange Ihr lebt, seid Ihr in
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