Feist, Raymond - Krondor-Saga 3
euch einen Gefallen tun. Was sollen wir machen?«
»Zunächst einmal warten. Ich werde die Türen unverschlossen lassen, aber wieder zuschieben – für den Fall, dass jemand hier vorbeikommt, ehe wir unsere Mission vollendet haben. Falls ihr irgendwelche Kampfgeräusche hört, rennt zu den Soldatenunterkünften und besorgt euch Waffen, und dann kämpft euch den Weg frei.
Wenn ihr bis in … sagen wir mal einer Stunde nichts hört, könnt ihr gehen. Ist das ein annehmbarer Vorschlag?«
Der Mann schaute sich um und sah, dass ein paar seiner Mitgefangenen nickten. »Ja«, sagte er.
»Gut«, erwiderte James. Die Männer kehrten in ihre Käfige zurück. Die Türen wurden zugezogen, und ein Mann setzte sich hin und begann, langsam und rhythmisch zu zählen, um festzustellen, wann die Stunde verstrichen sein würde.
Bevor sie die Sklavenpferche verließen, sagte James:
»Wir sehen uns in Haldenkopf. Dort musste jetzt ein Trupp Soldaten des Königreichs sein. Falls ihr sie dort trefft und wir nicht zurückkehren, sagt den Soldaten, was ihr hier gesehen habt.«
»Das werde ich.« Der dünne Mann warf James einen Blick zu. »Wo wollt ihr jetzt hin?«, fragte er schließlich.
»Ins Herz dieses üblen Ortes«, antwortete Solon.
»Dann hütet euch vor dem Anführer«, sagte der Gefangene.
»Habt ihr ihn gesehen?«
»Ja«, flüsterte der dünne Mann.
»Wie hat er ausgesehen?«
»Ich nehme an, dass er früher einmal ein Mensch war.
Aber jetzt ist er … ein … ein untotes … Ding! Er ist völlig verfault und zerfallen, und er trägt zerrissene Gewänder, die zum Himmel stinken, und er wird von Kreaturen bewacht, die ich noch nicht einmal benennen kann. Wir haben ihn nicht oft gesehen; er hält sich meistens auf den tieferen Ebenen auf, und dort sind nur wenige von uns jemals hingekommen.«
»Mögen die Götter mich euch sein«, sagte James.
Die Männer nickten.
James führte seine Begleiter weiter, in den nächsten dunklen Korridor hinein.
Sie stiegen eine Treppe hinunter, an der sie ein paar Minuten zuvor vorbeigekommen waren und die zu einer Reihe von Tunneln führte. James war mehrere Male stehen geblieben und hatte sich dann entschlossen, im Haupt-korridor, der vom Fuß der Treppe wegführte, weiterzugehen. Er nahm an, dass der kürzeste Weg sie zum Herz des Tempels bringen würde, während alle anderen Kor-ridore in andere Bereiche führten. Zumindest hoffte er, dass sich diese Vermutung im Nachhinein als richtig herausstellen würde.
Schon nach kurzer Zeit kamen sie zu einer Öffnung in einer steinernen Mauer und traten hindurch. Auf der anderen Seite entdeckten sie etwas, das man eigentlich nur als Galerie bezeichnen konnte – ein großer Raum, in dessen vier Wände im Abstand von ein paar Fuß unzählige Nischen eingelassen waren. Dieses Mal standen darin keine Skelettkrieger, sondern Statuen. Einige stellten Menschen dar, aber es gab auch viele andere, und James kannte bei weitem nicht alle Rassen, die hier für alle Ewigkeit in Stein gehauen worden waren.
Auf Podesten, die in regelmäßigen Abständen auf dem Fußboden verteilt waren, standen Statuen in heldenhaften Posen, die entweder die Kleider von Kriegern oder lange Gewänder trugen. Und alle verströmten etwas Böses.
Am gegenüberliegenden Ende des großen Raums war eine Tür. James betastete prüfend den Riegel und öffnete ihn. Er drückte ganz leicht gegen die Tür und spähte durch den sich öffnenden Spalt. »Das ist es«, flüsterte er.
Er stieß die Tür auf und enthüllte einen weiteren, quadratischen Raum. Drei Wände waren von menschlichen Schädeln gesäumt, die vierte war mit einem großen Mosaik verkleidet, das die gleichen Bilder zeigte wie das Basrelief im Eingangsbereich des Tempels. Auch hier dominierte das leere Fenster das Zentrum der Bilder.
Vier große Säulen stützten die Decke; sie waren aus Stein gemeißelt und stellten menschliche Schädel dar, die von Tentakeln umschlungen wurden. Der Fußboden war mit geheimnisvollen Runen übersät.
Mitten darauf ruhte ein riesiger Altar; er war mit einer Kruste aus Blut überzogen, die mehrere Zentimeter dick und so alt war, dass sie schwarz wirkte. Auf dieser von zahllosen Opfern erzählenden Oberfläche lag eine riesige Hand mit zu Klauen gekrümmten Fingern, die anscheinend aus Silber oder Platin war. Die Finger umklammerten eine riesige schwarze Perle, doppelt so groß wie der Kopf eines Mannes. Ihre Oberfläche schimmerte voller mystischer Energie; schwache
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