Feist, Raymond - Krondor-Saga 3
er nach kurzem Nachdenken.
Er nahm seinen Rucksack ab und öffnete ihn, holte das Artefakt heraus, mit dem sie sich an der äußeren Tür Einlass verschafft hatten.
»Ich glaube, es wäre vielleicht nicht dumm, das Ding hier bei der Hand zu haben.«
Sie gingen weiter und begaben sich auf den mittleren Weg. Als sie ungefähr auf halbem Weg zwischen der Tür und der gegenüberliegenden Wand waren, tauchte links und rechts von ihnen ein Paar gigantischer Tentakel aus dem Wasser auf. Kendaric stieß ein entsetztes Quieken aus, doch James hielt einfach nur das Artefakt in die Höhe.
Die Tentakel erstarrten, als wollten sie jeden Augenblick zuschlagen. Sie zitterten voller Vorfreude, griffen aber nicht an.
»Woher habt Ihr das gewusst?«, fragte Jazhara im Flüsterton.
»Ich habe es nicht gewusst«, antwortete James. »Es war nur eine Vermutung.«
Sie marschierten aus der Reichweite der Tentakel, die sich nach einiger Zeit wieder ins Wasser zurückzogen.
Solon warf einen letzten Blick zurück über die Schulter.
»Gut gemacht, mein Junge. Die Dinger hätten uns wie Insekten zerquetscht.«
James sagte nichts und führte sie weiter in die Dunkelheit.
Siebzehn
Die Schwarze Perle
Kendaric deutete nach vorn.
»Was ist das?«
»Es sieht aus wie ein Tempel oder eigentlich eher wie ein Abgrund aus schwarzem Wahnsinn. Und das hier sind Archive, wenn ich mich nicht irre«, flüsterte Solon.
Sie betraten ein weiteres riesiges Zimmer; es war voller vom Boden bis zur Decke reichender Regale, die mit Pergamentrollen und uralten, in Leder gebundenen Büchern voll gestopft waren. Über ihnen verschwanden schwebende Laufgänge im Zwielicht. Hier und da brannten Fackeln, deren Licht die Dunkelheit in dem Raum ein wenig aufhellte; viele Fackelhalter an den Wänden und den Regalen waren allerdings leer. »Wenn sie die auch noch benutzen würden, wäre es hier ein bisschen heller«, stellte James fest. »Die Fackeln da sollen den Leuten nur helfen, sich durch dieses Gewölbe zu bewegen.«
Das Geräusch von Stiefeln auf Steinfliesen warnte sie davor, dass sich jemand näherte, und James führte seine Gefährten schnell von den Fackeln weg in die Deckung einiger Regale. Sie spähten zwischen aufgestapelten Pergamentrollen hindurch und sahen eine kleine Kompanie Goblins vorbeieilen.
Nachdem die Goblins wieder verschwunden waren, sagte James: »Nun, jetzt wissen wir, dass diese Plünderer nicht nur einfach so aus den Bergen heruntergekommen sind.«
»Was machen die Goblins denn hier?«, fragte Kendaric.
»Ich halte jede Wette, dass die hier einen Stützpunkt aufbauen«, sagte Solon. »Dieser Tempel ist riesig.
Irgendwo muss es Unterkünfte für die Soldaten geben.
Und dort werden auch die Goblins sein.«
James dachte einen Augenblick nach. »Eines verstehe ich allerdings noch immer nicht ganz – wie passen all die unangenehmen Ereignisse, die in jüngster Zeit in Krondor stattgefunden haben, mit dem hier zusammen?«, fragte er ratlos.
»Vielleicht tun sie das gar nicht«, bemerkte Jazhara.
»Nach dem, was Ihr mir erzählt habt, gibt es eine Verbindung zwischen dem Kriecher mit seinen Plänen, die Unterwelt von Krondor zu übernehmen, und demjenigen, der hinter diesem Versuch steckt, die Träne der Götter zu stehlen. Es könnte aber sehr wohl sein, dass sie nichts weiter als gelegentliche Verbündete sind.«
»Manchmal frage ich mich, ob ich dieses Geheimnis wohl jemals völlig lösen werde«, sagte James. Er schaute nach vorn in die Finsternis. »Kommt mit«, flüsterte er seinen Gefährten zu.
Sie bewegten sich vorsichtig weiter und machten nur einmal kurz Halt, damit James sich orientieren konnte. Ein Stück voraus leuchteten zwei einander gegenüberliegende Lichter, die sich jeweils im rechten Winkel zu ihrem Weg befanden. James versuchte sich zu orientieren; er ging davon aus, dass das, was sie suchten, sich mit ziemlicher Sicherheit im tiefsten Teil des Tempels, weit unter der Erdoberfläche befand.
Jazhara las die Beschriftung, die auf dem Rücken eines der alten Bücher eingeprägt war, und flüsterte: »Oh, barmherzige Götter!«
»Was ist?«, fragte Solon.
Sie deutete auf den entsprechenden Band. »Das ist keshianisch, aber eine alte Form. Wenn ich es richtig gelesen habe, dann ist dies ein machtvoller Band über schwarze Nekromantie.«
»Das passt zu allem anderen, was wir bisher gesehen haben«, sagte James.
»Ich bin nur ein armer Geselle der Wrackberger-Gilde«, jammerte Kendaric. »Was hat es
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