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Feldpostnummer unbekannt

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Titel: Feldpostnummer unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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begriff. Wenn ihr Gespräch steckenblieb, dolmetschte ein junger Leutnant aus Südtirol. Bald konnten sie auf ihn verzichten. Jetzt glänzten in ihren Augen Irrlichter. Wenn Gioia lächelte, tänzelten die Grübchen in ihrem Gesicht. Es war verlockend, verwirrend.
    Kleebach spürte eine spröde Trockenheit im Mund, der auch der Rotwein nicht beikommen konnte. Er fühlte die Sympathie Gioias, aber sie galt vielleicht zu vielen, und er wollte etwas für sich allein haben.
    »Warum du so ernst«, fragte ihn die Italienerin.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Ihr Deutschen … immer so streng und so stark …«, fuhr Gioia fort, »alles nehmt ihr wichtig … sogar den Krieg.«
    »So harmlos ist er auch nicht«, brummte Kleebach.
    »Heute nix Krieg«, sagte sie, »heute …« Gioia rutschte noch näher an seine Seite. Er spürte ihre Vitalität, ihr sprudelndes Temperament. Sein Bewußtsein wurde in einen Seidenschal gewickelt, und es tat gut, obwohl er wußte, daß es bloß Halbseide war.
    Er flüchtete in die Wielandstraße, zu Vater und Mutter und den anderen fünf Kleebachs, und auf einmal war er mitten unter ihnen, auf dem zerfransten Sofa mit der kaputten Feder. Und dann verließ er sie, ging zwei Treppen höher, im gleichen Haus, wo Luise wohnte, die er lange umworben hatte, ohne das rechte Wort zu finden, bis ein anderer gekommen war, der sich nicht so schwerfällig gab, an den er Luise verlor, bevor er sie noch besaß. Der andere übrigens war jetzt auch schon seit einem Jahr stumm, gefallen in Frankreich.
    Und ich war selbst daran schuld, daß mir Luise entglitt, sagte er sich, es ist mein altes Leiden, ich überlege mir immer alles zu lange.
    So wie jetzt. Er sah, wie Gioias Lippen auf ihn zukamen, halbgeöffnet, leicht vibrierend, sah die hübschen, weißen Zähne, die so stark zu den dunklen Haaren kontrastierten, und sagte sich, daß sie eine billige Marketenderin der Liebe sei, deren zufällige Ähnlichkeit mit Luise ihn narrte, und daß er Sehnsucht nach ihr hatte …
    »Du …«, sagte sie leise.
    »Du bist hübsch«, erwiderte er.
    »Soll ich häßlich sein?« fragte sie.
    »Nein … es ist schon alles andere häßlich genug.«
    »Du verachtest mich?« fragte die Italienerin.
    »Nein … aber …«
    »Du denkst zu viel, Tedesco …«
    »Ich möchte es ja gar nicht«, versetzte er.
    »Du sollst weniger denken und mehr leben …«, antwortete sie und wischte mit der Handfläche die Falten von seiner Stirn. »Freu dich doch, daß wir uns getroffen haben.«
    »Aber das tue ich doch …«
    »Nein«, entgegnete Gioia überzeugt, »du möchtest es bloß …«
    Sie stand auf, beugte sich zu ihm herab. Ihre schlanken, weißen Arme kamen in schlangenartiger Bewegung auf ihn zu. Schlangen sind widerlich und giftig, dachte Thomas Kleebach benommen und kämpfte ein letztes Mal gegen die federleichte Gelegenheit daunenweicher Zärtlichkeit.
    »Vieni …«, sagte Gioia leise, »komm!«
    Am nächsten Tag kam General Rommel, der oberste Wüstenfuchs, in sein Hauptquartier zurück, drückte unpathetisch dem Fhj.-Feldwebel Thomas Kleebach die Hand, beförderte ihn auf der Stelle zum Leutnant der Reserve, entließ ihn mit drei Wochen Sonderurlaub nach Berlin und rief ihm noch nach, daß er ihn zum Ritterkreuz einreichen würde. Auch die Luftwaffe entschloß sich zu einer noblen Geste, und so saß der frisch gebackene Leutnant noch mit Feldwebellitzen in der wackeligen Ju 52, die ihn sicher auf Sizilien landete. Da er wußte, daß sein Bruder Fritz hier seit kurzem auf einem E-Hafen stationiert war, verschaffte er sich Fahrtunterbrechung, suchte und fand Fritz in der Nähe von Catania.
    Als Thomas ihm jetzt gegenüberstand, erschrak er, denn er glaubte, Gerd, Fritzens gefallenem Zwillingsbruder, zu begegnen. Gerds Augen sahen ihn an, Gerds Worte glaubte er zu hören, Gerds Gesten narrten ihn, Gerds Bewegungen taten ihm weh. Er spürte einen Stich in der vernarbten Wunde und wußte, daß er damit fertig werden würde; aber wie sollten Vater und Mutter es ertragen, wenn Fritz erst nach Hause käme?
    »Warum schaust du mich so an?« fragte Fritz.
    »Hab' dich lange nicht gesehen«, wich Thomas aus, und um die Verlegenheit zu überbrücken, setzte er hinzu: »Bist älter geworden …«
    »Kunststück«, versetzte Fritz lapidar, »schließlich ist der Krieg keine Verjüngungskur.«
    Thomas nickte.
    »War über Coventry dabei«, fuhr Fritz fort, »na, ich kann dir sagen! … Die Stadt war fix und fertig, und wir

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