Feldpostnummer unbekannt
rechts aus, daß er beinahe seinen Kettenhund gerammt hätte. Er lächelte ergeben. Dann sah er drei Einschußlöcher in den Tragflächen, rümpfte die Nase, und wußte, daß die Kerle wiederkommen würden.
Er drehte auf Vollgas. Aber die verdammten Motoren gaben nicht mehr her. Sie heulten auf wie mißhandelte Tiere. Der linke spuckte. Etwas stimmte nicht. Kleebach hörte noch, wie sein Kommodore über Funk Jäger als Schutz anforderte. Dann waren die Spitfires wieder heran.
Diesmal kamen sie von links. Noch einmal schaffte es Kleebach, aber er war jetzt hinter der Formation etwas zurückgeblieben. Beim dritten Angriff der Briten stand sein linker Motor in Flammen. Ein paar kurze Sekunden noch, dann mußte es den Benzintank zerreißen, aber Fritz Kleebach, der perfekte Pilot, wuchtete beinahe senkrecht nach unten und versuchte im verzweifelten Sturzflug das Feuer zu löschen.
So sah ihn sein Kommodore, verfolgte in der Führungskabine noch, wie es Kleebach schaffte, schloß unwillkürlich die Augen, weil er wußte, wie schwer es war, mit einem Motor die Ju aus dem 70-Grad-Winkel abzufangen.
Jetzt, dachte er, sah, wie sich die Flügel der Maschine durchbogen, als würden sie gleich brechen, verfolgte, wie das Flugzeug ein paar unschlüssige, gedehnte Sekunden lang seltsame Bocksprünge in der Luft machte, verfolgte noch, wie dieser Kerl von Kleebach die Ju wiederum ausbalancierte, und jetzt langsam weiterflog, unweigerlich Höhe verlierend, ganz tief jetzt über dem Meer, in das er stürzen mußte, so er von den Tommies nicht schon vorher abgeknallt wurde.
Was für ein Flieger, dachte der Kommodore verbittert, und welch' armer Hund, während er zum zweitenmal vergeblich Jagdschutz anforderte …
Thomas, der Älteste, brach in den tristen Kriegsalltag der Kleebachs ein wie Sonne in den Frühnebel. Wichtiger als die lobende Erwähnung im Wehrmachtsbericht, auf die seine Eltern fraglos stolz waren, schien ihnen die Gewißheit, daß ihm nichts zugestoßen sei. Seine letzten Briefe waren mit einem deutschen Truppentransporter im Mittelmeer untergegangen.
Von Rom aus hatte er nach Hause telegraphiert, daß er unterwegs nach Berlin sei. Aber bevor er in den Zug steigen konnte, entdeckte ihn die Kriegspropaganda wieder und reichte ihn herum wie einen Wanderpokal. Als ihn die PK-Leute endlich entließen, waren die Eisenbahnschienen zerbombt. Aber schließlich hatte Thomas noch Glück, ein General der Luftwaffe nahm ihn in seiner Kuriermaschine mit.
»Wenn Sie einmal mit der Luftwaffe zu tun haben, und mich brauchen sollten«, sagte der hohe Offizier beim Abschied, »dann wenden Sie sich ungeniert an mich, Kleebach.«
»Jawohl, Herr General«, erwiderte Thomas mechanisch; er wußte nicht, wie bald er schon auf das Angebot zurückkommen würde.
Längst erwartet, aber unangemeldet, traf er endlich in der Wielandstraße ein. Der Vater hatte sich zwischen den Dienstgängen auf das Sofa gelegt, er schoß beglückt hoch und knöpfte sich in der Erregung seinen Postkittel falsch zu. Er deutete auf das Ritterkreuz und sagte: »Gratuliere.«
»Wozu?« fragte Thomas gereizt.
Der Vater lachte. »Bist immer noch der alte … immer bescheiden … weiß schon, daß du dir aus dem Firlefanz nicht viel machst … aber es wird dich im Zivilleben auch weiterbringen …«
Thomas zog seine Mutter an sich. Die Begegnung war für ihn umwerfend, erschütternd, und er spürte es in der Kehle, wo die Rührung sitzt. »Ich war bei Fritz«, sagte er hastig, »hier … sogar ein Brief …«
»Bei Fritz?« sagte Maria Kleebach leise, »wie geht es ihm?«
»Prima«, versetzte der Älteste, »der Kerl strotzt vor Gesundheit … richtig rund und fett ist er geworden … du kennst ihn nicht wieder …«
»Aber sind die Einsätze da unten nicht … sehr schlimm?«
»Na ja«, schränkte Thomas ein, »ein Vergnügen ist es nicht … aber doch ein Kinderspiel im Vergleich zur Luftschlacht im Westen.«
»Und du schwindelst mich nicht an, Junge?«
»Aber nein, Mutter.«
»Warum schreibt er bloß so selten?«
»Na, du weißt doch«, entgegnete Thomas, »er ist doch ein verdammt schreibfauler Bursche.«
»Siehst du, Mutter«, sagte Vater Kleebach, »du machst dir immer mehr Sorgen als nötig …«
Freddy, der Gigolo, erhielt ebenfalls Sonderurlaub, weil sein Bruder ein Kriegsheld geworden war. Achim, der Pimpf, hatte in fataler Begeisterung gedankenlos nach Hause geschrieben: »Gott sei Dank geht's jetzt bald hinaus.«
Auch Heinz
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