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Feldpostnummer unbekannt

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Titel: Feldpostnummer unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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steckte sie Thomas in den Mund. Er zog zu heftig an ihr und formulierte schon wieder Worte, wo er Luise doch nur in den Arm zu nehmen brauchte. Und da wollte sie ihm helfen. »Thomas«, begann sie, »wie alt bist du?«
    »Fünfundzwanzig.«
    »Und schon fast ein Einsiedler, nicht?«
    »Ja.«
    »Du bist doch Soldat«, fuhr sie fort, »ein Soldat hat doch ein Mädchen … viele sogar mehrere … hast du noch nie eine Frau geliebt?«
    »Ich weiß nicht«, erwiderte er, »vielleicht eine …«
    »Und wie war sie?« fragte Luise, obwohl sie wußte, daß er von ihr sprach.
    »So hübsch wie du.«
    »Und wo ist sie jetzt?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Und warum hast du sie nicht genommen?« drängte die junge Frau weiter.
    »Weil ich … weil ich eine Schlafmütze war …«
    »Und warum bist du eine Schlafmütze?«
    »Scheißkrieg«, antwortete er und stand auf.
    Aus dem Abend wurde wieder nichts. Aber Luise war geduldig. Sie konnte warten. Sie forcierte nichts. Aber sie bediente sich aller fraulichen Tricks, die es seit Eva gibt, wählte die raffiniertesten Kleider, das beste Make-up, konnte zuhören und war je nach dem Gespräch verspielt, ernst oder aufreizend, obwohl sie Thomas nicht verführen, sondern erobern wollte.
    Noch zwei Tage. Sie saßen noch dichter beieinander. Der Druck, mit dem sich ihre Schultern berührten, war stärker. Sie sprachen noch weniger, und sie kamen sich noch näher, und Thomas spürte die Sehnsucht auf seiner Haut, in seinen Gliedern, bis in die Fingerspitzen. Er fühlte sie, wenn er Luise ansah, und erkannte, daß sie die Sehnsucht mit ihm teilte, so oft ihr Atem schneller ging. Und als sein Gesicht über ihrem war und sich ihr Mund öffnete und seine spröden Lippen sie berührten, da griff sie schnell und stürmisch nach Thomas, preßte ihn an sich, streichelte seine Haare, seine Schultern und spürte seine Gegenwart bis in die letzte Pore.
    Fast abrupt machte sich Thomas frei.
    Sein Gesicht wurde starr. Seine Backenmuskeln versteiften sich wieder, und auch Luises Lächeln gerann. Sie folgte der Richtung seiner Augen, und sie erfaßte instinktiv, was ihn bedrückte. An der Wand hing das Bild ihres gefallenen Mannes. Und Thomas starrte sie an. Die junge Frau wußte, daß er diesen Kampf mit sich allein austragen mußte. Sie war nicht leichtlebig, sie hing sehr an dem Toten, aber sie war zu vital und auch zu jung, um ihr ganzes Leben einem Kult zu widmen. Sie wollte den Schatten, der sie getroffen hatte, nicht zu einem Trauerflor werden lassen, der sich durch ihr ganzes Leben zog.
    »Ja«, sagte Thomas mit gepreßter Stimme, »verstehst du … es ist nicht Eifersucht, bestimmt nicht das … aber er ist gefallen, umgekommen in diesem verfluchten Krieg …« Er stand auf, wurde heftig: »Wer weiß, was diese sinnlose Schlachterei noch alles aus uns macht?« Thomas atmete schwer an den Worten: »Ich will nicht … durch den Tod eines anderen gewinnen …«
    »Aber Thomas«, sagte Luise leise. Sie stand auf und trat an seine Seite. »Ich kannte ihn gut«, begann sie, »sehr gut … und ich weiß, daß er … anders denken würde als du …«
    »Nein«, entgegnete Thomas knapp.
    Luise erfaßte, daß sie ihm helfen mußte, und wenn es gewaltsam sei. Sie ging langsam, überlegt auf das Bild des Gefallenen zu, nahm es behutsam in ihre Hand und hob es vom Nagel. Sie ließ Thomas dabei nicht aus den Augen. Und dann sah sie sein gequältes Gesicht. Und ihre Augen gingen von seinem Blick zur Stelle der Wand, die das Bild bedeckt hatte und die jetzt ein kleines Viereck heller markierte.
    »Ja«, sagte Thomas müde und ergeben und deutete auf den Fleck, »Wunden heilen … aber die Narben bleiben zurück.«
    Sie erfaßten beide, daß es ihnen in den letzten zwei Tagen, die ihnen noch geblieben waren, nicht mehr gelingen würde, den unheimlichen Schatten zu überspringen …
    Am nächsten Morgen saß Thomas Kleebach seiner Mutter am Frühstückstisch gegenüber. Er las aus ihrem Gesicht, daß sie etwas von ihm wollte, und er wartete geduldig.
    »Sag mal«, begann sie zögernd, »du hast doch Beziehungen mit deinem Dingsda …« Sie meinte das Ritterkreuz. »Vielleicht.«
    »Bist du nicht mit so einem Fliegergeneral nach Berlin gekommen?«
    »Ja, und?« fragte er zerstreut.
    »Dein Vater«, sagte die Mutter schlicht, »trägt schwer daran, daß er so lange nichts von Fritz hört … wir müssen etwas tun … Leg deine Kriegsbemalung an«, setzte sie gewollt burschikos hinzu, »und such

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