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Feldpostnummer unbekannt

Feldpostnummer unbekannt

Titel: Feldpostnummer unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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die Backenknochen.
    »Als vermißt, Kleebach«, versetzte der General. »Sagen Sie Ihren Eltern als vermißt … mehr bitte nicht, und alles andere bleibt zwischen uns, ja?«
    Kleebach nickte.
    Der General reichte ihm die Hand. Ihr Druck war trocken und fest. Man sah es dem General an, daß die anonymen Verlustmeldungen, denen er sich gleich wieder zuwenden mußte, eine Wohltat für ihn waren. Lieber hundert namenlose Tote, als einen einzigen, dessen Bruder man gegenübersteht, dachte der hohe Offizier – und an seiner herzlosen Rechnung war kein Zynismus, sondern nur Resignation.
    Als Thomas schon an der Tür stand, rief ihn der General noch einmal zurück. »Noch etwas, Kleebach«, sagte er nachdenklich. »Ich verstehe das nicht … die Nachricht ist vor drei Wochen schon von der Einheit abgegangen, und vor vierzehn Tagen ordnungsgemäß zugestellt worden … Sie müßten das doch schon längst wissen … etwas stimmt da nicht … wenigstens funktioniert doch noch die Post in unserem schönen Großdeutschland.«
    Endlich stand Thomas Kleebach auf der Straße, und sie sah aus wie jene, über die sein Vater vor vierzehn Tagen nach Erhalt der Nachricht gegangen war. Und Thomas lief auch in der nämlichen Art, mehr geschoben als gehalten, leicht gebückt, und so verstört, daß er nicht merkte, wie die Passanten sein Ritterkreuz anstarrten, und er den Gruß der Soldaten nicht erwidern konnte. Und er schritt durch die Allee der Ausweglosigkeit wie sein Vater, lief quer durch die Spießruten der Gedanken, und faßte, wenn auch verschwommen, den gleichen Entschluß: zu Hause die neuerliche Hiobs-Nachricht zu verheimlichen …
    Er ging in eine Stampe.
    »Na«, sagte der Wirt, »sehr heiter sehen Sie ja nicht aus … Weil's Sie sind«, setzte er hinzu und schenkte Thomas unbestellten Schnaps ein. »Geht wohl der Urlaub zu Ende, was?«
    »Ja«, erwiderte der Leutnant zerstreut.
    »Und mit den Mädchen nicht alles in Ordnung, wie?«
    Thomas schaltete ab.
    »Mensch, ein Kerl wie Sie! … Lassen Sie doch den Kopf nicht hängen, geh'n Sie ran, Mann!« Er deutete mit dem Finger auf das Ritterkreuz. »So wie damals.«
    Endlich begriff der Wirt, daß er an Thomas keinen Gesprächspartner finden würde, goß ihm noch einen Doppelten ein, und verschloß dann die Flasche sorgfältig.
    Der Schnaps nebelte Kleebachs Bewußtsein nicht ein, sondern schärfte es. Er konnte jetzt wieder klar und präzise denken. »Etwas stimmt nicht«, hatte der General zu ihm gesagt. Vor vierzehn Tagen? Und etwa seit dieser Zeit ist Vater so verändert? Und Vater stellt sich die eigene Post zu, sitzt sozusagen als erster an der Brief-Quelle!
    Plötzlich war der Verdacht da. Unsinn, sagte sich Thomas. Aber es verdichtete sich fast zur Gewißheit. Stand er nicht selbst im Begriff, die Nachricht zu unterschlagen? Mein Gott, dachte er, und spürte, wie ihm das Grauen mit spitzen Nägeln über den Rücken strich. »Geben Sie mir noch einen Schnaps!« wandte er sich an den Wirt.
    »Na, also«, brummelte der gutmütige Mann, »wird schon.« Er lachte derb. »Nu harn' Se Mumm in den Knochen, nu gehn Sie zu Ihrer Braut, und bestelln Se 'nen schönen Gruß von Otto Schultze.« Thomas zahlte und ging. Wenn er sich beeilte, konnte er Vater noch auf dem täglichen Weg durch sein Revier abfangen. Er mußte Gewißheit haben, und er wollte, falls sein Verdacht zutraf, ihm unverzüglich das schwere Kreuz von den schmächtigen Schultern nehmen.
    Er holte kräftig aus, und traf seinen Vater. »Na, du Stubenhocker!« rief er ihm schon von weitem zu, »bist du endlich doch unter die Leute gegangen?«
    »Ja«, versetzte Thomas, »ich muß mit dir sprechen.«
    »Jetzt?«
    »Ja.«
    »Hier?«
    »Ja.«
    »Noch drei Häuser, dann bin ich fertig«, erwiderte der Vater.
    Thomas ging nicht von seiner Seite. Vater Kleebach hatte Angst. Er spürte etwas auf sich zukommen. Er absolvierte sein Pensum besonders umständlich. Aber so sehr er die Zustellung auch verzögerte, schließlich war er fertig.
    Sie gingen in ein kleines Café.
    »Was ist los?« fragte Arthur Kleebach, so nebensächlich er konnte.
    »Ich komme vom Oberkommando der Luftwaffe«, begann Thomas.
    »Und?«
    »Mutter hat mich hingeschickt.« Thomas ließ seinen Vater nicht aus den Augen.
    »Und warum?« fragte Arthur Kleebach schwer.
    »Ich sollte mich nach Fritz erkundigen.«
    »So.« Vater Kleebach starrte in seine Kaffeetasse. Er hob sie, langsam und mechanisch. Die schwarze Brühe schwappte über. Er trank

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