Feldpostnummer unbekannt
diesen General auf und frag nach Fritz.«
Thomas dachte einen Moment nach. »Gut«, entgegnete er, »ich will's versuchen.«
Der Feldwebel in der Schreibstube stand stramm. Das Ritterkreuz wurde zum Passepartout, das Thomas ohne Umwege die Tür zum Generalsbüro öffnete.
»Ach Sie sind das?« begrüßte ihn der hohe Offizier, als er Thomas erkannte, »wollen Sie sich umschulen lassen?«
»Nein … Herr General haben mir damals im Flugzeug freundlicherweise …«
»Mensch, quatschen Sie keine Opern. Mein Wort gilt, und wenn ich besoffen gewesen wäre … apropos besoffen …« Er kramte in seiner Schreibtischschublade, stellte eine Flasche Kognak auf den Tisch, schenkte zwei Gläser voll. »Prost, mein Lieber!«
»Prost, Herr General.«
»Und was kann ich für Sie tun?« fragte er mehr als jovial.
Thomas Kleebach nannte das Geschwader seines Bruders und den E-Hafen in Sizilien. »Ich weiß«, sagte er, »daß Sie keine Extrawurst braten können, Herr General … aber meine Eltern …«
»Das werden wir gleich haben.« Er drückte auf den Knopf, und wenn ein General auf den Knopf drückt, ist in Minuten schon, noch über die größte Entfernung hinweg, das nebensächlichste Schicksal eines unbekannten Soldaten erfaßt und belichtet …
Der General saß unter dem Bild des Reichsmarschalls. Sie trugen die gleiche Uniform, aber sie waren sich nicht ähnlich. Der General hatte ein hageres Gesicht und eine drahtige Figur, und er lächelte auch nicht satt und zufrieden wie der Gerahmte über ihm.
Thomas Kleebach, der dem hohen Gönner gegenübersaß, wollte sich zurückziehen, bis die Meldung über das Schicksal seines Bruders Fritz vom Geschwader einging.
»Bleiben Sie, mein Lieber«, winkte der General ab, »das hat Zeit.« Er deutete auf die Mappe, die vor ihm lag. »Papierkrieg, ein Haufen Mist! Produktionsrückstände, Verlustziffern, Spritmangel. Wissen Sie, was ich bin? Kein General«, sagte er grimmig, »ein Konkursverwalter!«
Er sprach dem jungen Leutnant aus der Landserseele. Zwischendurch tranken sie Kognak, dann noch einen, und dann noch einen. Und das am Vormittag, zur Unzeit. Aber sie kippten ihn nicht aus Vergnügen, sie nahmen ihn gegen die Sorgen.
Der Adjutant trat ein und bedeutete seinem Chef mit den Augen, daß er ihn allein sprechen wollte.
»Moment mal«, knurrte der General und deutete auf die Flasche, »bedienen Sie sich einstweilen, Kleebach.«
Eine Minute später kam er aus dem Vorzimmer zurück, trat an das Fenster, starrte hinaus. Er hatte die Arme hinter dem Rücken verschränkt, drehte sich langsam wieder um. »Kleebach«, sagte er, und räusperte sich den Belag von der Stimme, »Sie sind Soldat und Offizier, nicht?«
»Jawohl, Herr General«, antwortete Thomas; er spürte Eis auf der Haut.
»Es kotzt mich an … aber ich bin nun einmal kein Mann von Umwegen … Ihr Bruder ist vermißt, Kleebach.«
»Vermißt?« fragte Thomas mechanisch.
Der General ließ ihn nicht aus den Augen. »Nehmen Sie noch einen Schluck«, sagte er, und griff so schnell nach dem Glas, als ob er ihn selbst nötiger hätte. »Nach einem Angriff auf Malta … Motor brannte, ins Meer geknallt, und abgesoffen … Sie verstehen doch?«
»Jawohl, Herr General.«
»Tut mir leid«, versetzte der hohe Offizier, »verdammt leid … nicht nur um Sie oder um ihn … um jeden …«
»Keine Hoffnung mehr?« fragte Thomas dünn.
Der General trat dicht an ihn heran. Sein Gesicht wies aus, daß die breiten Biesen an der Hose seiner Menschlichkeit nicht geschadet hatten. Er faßte den jungen Leutnant an beiden Schultern. »Mensch, Kleebach«, sagte er ruhig, »seien Sie kein Kindskopf.« Er ließ ihn aus und ging weiter, er sprach mit einer Stimme, als hätte er den Text auswendig gelernt. »Wollen wir nicht um die Sache herumreden … vielleicht hatte es die Besatzung schon während des Luftkampfes erwischt … oder es ist erst beim Aufprall passiert … sollten die Männer auch da noch einmal Schwein gehabt haben – stürzen Sie einmal in einer solchen Konservenbüchse mit vierhundert Sachen ins Meer … da ist das Wasser wie Zement.« Er zündete sich so heftig eine Zigarette an, daß erst das zweite Streichholz funktionierte. »Und wenn das Wrack noch heil geblieben wäre … verstehen Sie, der Wasserdruck von außen … kommt doch kein Schwanz heraus …«
»Also ist mein Bruder Fritz … als gefallen zu betrachten?« fragte Thomas; seine Gesichtshaut spannte sich noch knapper über
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