Feldpostnummer unbekannt
konzentrischen Angriff im Rudel nichts mehr werden würde. Die anderen drei U-Boote waren abgedrängt worden.
»Operieren Sie auf eigene Faust«, befahl der Großadmiral.
»Na also«, sagte der Kommandant zu seinem 1. Wachoffizier. Er kontrollierte seine Position auf der Seekarte; sie stimmte, und das war auch alles, was in diesem verdammten Operationsraum stimmte.
»Wie geht es unseren Schiffbrüchigen?« fragte der Kommandant. »Die wissen noch nichts von ihrem Schwein«, antwortete der 1. WO, »die pennen wie Säuglinge …«
»Sie sind wahrscheinlich vom Geleit AX 27«, versetzte der Kommandant zerstreut, »der Rest vergangener Pracht …«
In diesem Moment kam Achim Kleebach, der Pimpf, allmählich zu sich, mit wundem Kopf und irrem Blick, als hätte er eine Überdosis Schlaftabletten eingenommen. Sein ganzer Körper schlingerte und stampfte im Takt der See mit. Er tastete sich mühsam hoch und stellte benommen fest, daß er in einer Hängematte, direkt über einem Torpedo, lag. Das Licht reichte nur für mattes Halbdunkel. Ein Matrose beugte sich über Achim. Er hatte eine Gesichtshaut wie aus Grünspan.
»Wo …«, fragte Kleebach, »was ist denn?« Seine Stimme war seltsam hohl.
»Du sitzt auf dem Trockenen«, versetzte der U-Boot-Mann grinsend, »schlaf weiter, Kumpel!«
Achim spürte ein Ziehen und Zerren in beiden Oberarmen. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. Er konnte die Finger kaum ausstrecken. Auf einmal hing er wieder in der Schlaufe und kämpfte gegen Wellen und Wind und gegen die anderen, die ihn ins Meer zerren wollten. Er spuckte wieder Salzwasser und glaubte blind zu sein – und da wußte er, daß nicht nur seine Arme, sondern auch sein Kopf einen Muskelkater hatten.
Er richtete sich auf. Auf einmal konnte er die rechte Hand öffnen, und er starrte dumpf die geschwollene Stelle an: die Handkante … und da war er nicht mehr an Bord eines U-Boots, sondern im Waldlager der HJ, und der Gefolgschaftsführer sagte grinsend: »So ein sauberer Schlag mit der Handkante … und der andere geht k.o.« Der HJ-Führer hatte Recht behalten, Achim Kleebach wußte es, denn er hatte seinen besten Kumpel k.o. geschlagen.
Sein Gesicht war verkrampft. Sein Oberkörper wurde von einem Weinkrampf geschüttelt. Jetzt wäre er bereit gewesen, mit dem Mann, den sein sauberer Handkantenschlag getroffen hatte, zu tauschen; aber jetzt war es zu spät, für ihn wie für den anderen.
Ein Matrose setzte ihm eine Feldflasche mit Rum an die Lippen. Achim verschluckte sich, die Brühe lief ihm über die Mundwinkel den Hals hinab. Die Brühe schmeckte nach Blut. Achim spuckte das Blut aus, aber den Geschmack brachte er nicht weg.
Von den fünf Geretteten lebten noch vier. Sie waren an Bord gehievt worden und umgefallen wie nasse Säcke. Kaum einer hatte die Kraft zu begreifen, daß er gerettet war. Ein aufgefischter Feldwebel starb den U-Boot-Leuten unter der Hand. Und da ließ der Kommandant die anderen vier immer wieder in das Gesicht schlagen, bis sie Lebenszeichen von sich gaben. Vielleicht war das richtig gewesen, oder auch falsch, ein U-Boot-Kommandant dilettierte in allen Fächern, war zugleich Seeleningenieur wie Hilfschirurg.
Er ließ den Toten über Bord werfen und die anderen vier nach unten schaffen. Das alles erfuhr Achim Kleebach erst jetzt. Sonst wäre für ihn der Aufenthalt an Bord eines U-Boots eine militärische Delikatesse gewesen. Heute war er ausgehöhlt von der Strapaze und verbrannt von der Scham.
Achim Kleebach sah den Kommandanten durch den Mittelgang kommen, erkannte ihn an seiner weißen Mütze, fuhr zackig hoch, schlug mit dem Hinterkopf hart gegen ein Stück Eisen und taumelte dem jungen Kapitänleutnant direkt in die Arme.
»Das haben Sie davon«, sagte er lachend, »wir sind hier nicht auf dem Kasernenhof.«
»Jawohl, Herr Kaleu …«
»Wie fühlen Sie sich?« fragte der Kommandant, »kommen Sie mit in den Turm.« Der Kaleu deutete auf eine Schnapsflasche. »Nehmen Sie erst einen Schluck und holen Sie tief Luft … zum Quatschen ist immer noch Zeit.«
Achims Augen saugten sich an dem Kaleu wie an einem Löschblatt fest. Ohne es zu bemerken, begann er schon wieder zu bewundern, und dann ertappte er sich dabei, daß er die Handkante des Offiziers anstarrte. Sie ist nicht geschwollen, dachte Achim verbittert, und du bist ein Schlappschwanz und wirst nie so ein Kerl wie er werden …
»War schlimm, was?« knurrte der Kaleu.
Kleebach nickte wie ein Zivilist. »Herr
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