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Feldpostnummer unbekannt

Feldpostnummer unbekannt

Titel: Feldpostnummer unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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letzten Wochen von dem Flügelschlag eines Wunders zerflattert wurde. Und er, Arthur Kleebach, der biedere Postbeamte, hatte recht behalten. Er war härter gewesen als Thomas, sein Ältester, und klüger als Pg. Rosenblatt, der Ortsgruppenleiter, und stärker als sein Nervensystem.
    Kein Wunder, dachte Arthur, nur Glaube. Befreit von der Last, war er jetzt außer sich. Ein wirbeliges Gefühl erfaßte ihn, machte seinen Blick trunken und seine Schritte leicht. Am liebsten wäre er an das Fenster hingegangen, hätte es aufgerissen und hinausgeschrien: Hört alle her, ich habe recht behalten, ich ganz allein, Fritz lebt! Ich habe es immer gewußt, nur ihr armseligen Zweifler habt nicht daran geglaubt.
    »Aber wir werden ihn lange nicht wiedersehen …«, sagte Maria. »Ja«, versetzte Arthur Kleebach, und der Taumel in seinen Sinnen blieb einen Moment lang stehen, »aber wir wissen wenigstens, daß er lebt, daß es ihm gut geht, daß ihm nichts mehr passieren kann, gar nichts …«
    Seine Frau lächelte melancholisch, verhalten, so als ob ihr Gesicht erst noch auftauen müßte, als ob die innere Wärme noch nicht groß genug sei, um das Starre ihrer Züge auf einmal zu lösen. »Aber wie ist denn das gekommen?« fragte sie.
    Arthur Kleebach schüttelte den Kopf. Auch er konnte nicht wissen, was zwischen den Zeilen der kurzen, allzu kurzen Nachricht stand, konnte nicht verfolgen, wie Fritz, der Flieger aus Passion, sein Bravourstück durchgestanden hatte, wie er kämpfte, in aussichtsloser Lage, um sich, um die anderen, mit einem Motor, knapp über dem Meer, mit durchlöcherten Tragflächen, in höllischer Geschwindigkeit, das Wasser unter sich, das Wasser vor den Augen. Wasser, hart wie eine Zementbahn … und es ist wie Beton, wenn man mit dreihundert Sachen aufknallt, aber keine Betonpiste, auf der man ausrollt …
    Die anderen betrachten ihn von der Seite, starren auf das Meer, warten auf den Aufprall, hören schon den Aufklatsch, der sie zerschmettern muß, in ein paar Sekunden schon, sind schon fast bewußtlos vor Angst, gelähmt vom Grauen, gesotten von den Nerven, gewürgt vom Tod.
    Noch einmal Vollgas. Ein letzter Aufschub. Was Fritz Kleebach, der perfekte Pilot, zeigt, ist mehr, als man auf einer Fliegerschule lernen kann. Der Motor heult auf, gräßlich. Hell. Fetzend. Wie ein mißhandeltes Tier. Der Auspuff spuckt. Fehlzündungen. Die Tragflächen zischen durch die Luft wie eine Sense. Sense des Todes. Der große Schnitter! Aus. Vorbei. Gleich. 300 Kilometer Geschwindigkeit, vielleicht noch mehr. Nichts zu machen. Ende in einem blauseidenen Nichts des Alls. Allein, wenn auch zu viert. In der gleichen Sekunde müssen sie vor die Hunde gehen. Kein Trost: jeder stirbt für sich allein. Einsam. Sinnlos. Endgültig.
    Und noch kapituliert Fritz Kleebach nicht. Seine Hände halten den Knüppel mit der geballten Kraft seines Lebens. Noch hält sich das Wrack über dem Meer. Das Meer ist ruhig, fast unbewegt. Kaum eine Dünung. Kein Silberkranz sich kräuselnder Wellen. Das Meer ist blau und tief, hart und endlos.
    Höhenverlust. 20 Meter. Noch 30 Meter bis zum Tod. Letztes Aufheulen. Und der Pilot kämpft und kämpft, und es sieht so aus, als ob er grinsen würde. Hoch kommt er nicht mehr. Also weg vom Gas! Die angeschossene Ju 88 ist kopflastig. Waagerecht ziehen, ausgleiten und so langsam aufsetzen wie es geht. Herunter mit der Fahrt! Noch ein Versuch, ein weiterer, ein letzter.
    Der Funker hat bereits die Augen geschlossen. Er merkt, was der Flugzeugführer versucht, und die heiße Hochachtung vor dieser sturen Kaltblütigkeit nimmt ihm die letzten, lähmenden Sekunden vor seinem Ende ab.
    Aufschlag. Bersten. Wasserfontäne. Die Ju platzt auseinander wie ein fauler Kürbis. Durcheinander. Der erste treibt im Wasser. Den zweiten hat's erwischt, den Funker. Zerschmettert beim Aufschlag. Noch einer schält sich aus den sinkenden Trümmern: Fritz Kleebach.
    Schwimmweste funktioniert, füllt sich mit Luft nach der Berührung mit dem Wasser, automatisch, toll. Wo ist der vierte? Weg. Unauffindbar. Vermißt. Vielleicht unter den Trümmern, am Schwanz, nicht mehr herausgekommen. Scheiße.
    Keine Frage jetzt. Durchhalten. Atmen. Schwimmen. Leben. Nicht müde werden. Um sich schlagen. Spucken. Dieses verfluchte Salz ausspucken. Salz brennt. Salz macht durstig. Salz macht müde. Ausgedorrte Kehle. Rote Augen. Kaninchenaugen. Durchhalten! Nicht aufgeben! Vielleicht …
    Stunde um Stunde. Zeit ohne Gnade. Ohne Form.

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