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Feldpostnummer unbekannt

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Titel: Feldpostnummer unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Schweine!« brüllte er Achim ins Gesicht. »Ich habe es satt! … Schluß!«
    »Trautmann«, sagte Leutnant Thomas Kleebach leise und trat auf den Gefreiten zu. In seinem Gesicht stand eine Bitte. Trautmann sah sie, und es war die letzte Wohltat, die ihm diese beschissene Welt erwies. Er stand noch zwei, drei Sekunden wie gelähmt, dann riß er sich los, stürmte an Achim vorbei, aus dem Zelt, und lief mit gehetzten Sätzen blindlings davon, in die Nacht hinein, auf seine Unterkunft zu, stürzte wieder hinaus, hastete an einem Posten vorbei.
    »Unterricht abbrechen!« befahl der Kompanieführer und betrachtete seinen Bruder jetzt kalt, doch ohne Spott. »Los … holt Trautmann sofort zurück und schafft ihn zu mir!«
    Als sie aus dem Zelt stürzten, fiel ein vereinzelter, seltsam dünner Schuß. Und sie alle erschraken in banger Vorahnung. Dann liefen sie in Richtung des Schalles, so schnell sie konnten.
    Die Nacht war schwarz und dunkel. Sie mußten Taschenlampen holen, deren Schein ohne Rücksicht auf die Verdunkelung die Erde abtastete. Rufe schallten durcheinander. Und dann fiel der erste über eine Gestalt im Sand, die sich in das Dunkel der Nacht gewickelt hatte, rappelte sich fluchend wieder hoch und erkannte dann entsetzt Trautmann, der in der verkrampften Hand noch die Pistole hielt, mit der er sich in die Schläfe geschossen hatte.
    »Hier«, rief der Landser, »hier … hier!« Es hörte sich an wie Hilferufe.
    Dann standen ein paar, unter ihnen Thomas Kleebach, entsetzt und betroffen um den toten Trautmann herum. Der Kompanieführer beugte sich über ihn, und seine Leute betrachteten ihn alle, als ob er Macht hätte, diese Ungeheuerlichkeit wieder rückgängig zu machen.
    Die linke Hand hatte der Tote von sich gestreckt, als wollte er auch sichtbar vor diesem Leben kapitulieren. Seine Züge waren verkrampft. Nichts wirkte schön oder würdig an diesem geronnenen Gesicht, dessen linkes, starres Auge geöffnet war, zu einer letzten, erschütternden Anklage, vor der es keine Deckung gab. Die steifen Lippen standen weit auseinander, nicht von der Sehnsucht geöffnet, sondern in äußerster Qual, und im zitternden Schein der Taschenlampe gaben sie gespenstisch weiße, bleckende Zähne frei. Zähne, die noch zu jung waren, und zu gesund, um unter der Erde zu vermodern.
    Ohne einen Blick von dem Toten zu wenden, sagte der sich aufrichtende Kompanieführer zu einem Unteroffizier: »Holen Sie meinen Bruder her!«
    Achim, der Pimpf, kam langsam, nicht mit seinem üblichen, federnden Gang. Er näherte sich der Gruppe um den Toten mehr schleichend als gehend, und die anderen machten ihm stumm eine Gasse frei, durch die er hindurch mußte. Der Junge spürte sein Körpergewicht schwer auf den Kniekehlen. Jetzt sah er Trautmann, kniete im Sand, und schluchzte. Und wie durch einen Nebel, der sich um sein Bewußtsein gelegt hatte, hindurch hörte er Thomas zitieren: »Es gibt keine Rücksicht, kein Erbarmen, ob Mann, ob Frau, ob Greis, ob Kind … wir werden sie ausradieren!«
    »Ich hab' das doch nicht gewußt …« weinte Achim jetzt hemmungslos, »ich hab' doch nicht gewollt … Trautmann … Trautmann!« schrie er, »mein Gott, Trautmann … ich wollte doch nicht … du doch nicht …! Doch nicht deine Mutter …«
    Keiner sagte ein Wort. Der Zorn auf Achim, in den sie sich alle hineingesteigert hatten, schlug in Mitleid um.
    Thomas Kleebach ging mit schweren, schleppenden Schritten weg und hörte noch lange das Gestammel des Jungen hinter sich, den er am liebsten an sich gezogen und getröstet hätte. Und dabei mußte er sich mit der Qual in der eigenen Brust auseinandersetzen, mit der zähen, hundsgemeinen Frage, ob seine Gedankenlosigkeit nicht die größere Schuld am Ende Trautmanns träfe, als das dumme Geschwätz Achims …
    Freddy Kleebach, von seinen Brüdern Gigolo genannt, stand vor dem Chef seiner Berliner Dienststelle, einem Reservehauptmann mit verquollenem Genießer-Gesicht, und erstattete mit lächelnder Arroganz Bericht. Der Gigolo war längst zur rechten Hand linker Geschäfte aufgerückt und hatte soeben eine mehr als heikle Geschichte lautlos bereinigt. Er betrachtete den Hauptmann und genoß die feiste Jovialität, die in seinem blauroten Gesicht schwamm.
    »Mensch, Kleebach«, sagte der Offizier erleichtert, »das hätte leicht ins Auge gehen können … wenn ich Sie nicht hätte …«
    Freddy Kleebach gab sich bescheiden. Seine Dienststelle war groß und die Front weit, und die

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