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Feldpostnummer unbekannt

Feldpostnummer unbekannt

Titel: Feldpostnummer unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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meisten Offiziere hatten nicht ihn im Griff, sondern er sie in der Hand.
    »Ich frage mich nur«, fuhr der Chef fort, »wie ich mich bei Ihnen revanchieren kann …?«
    Der Gigolo wehrte mit großmütiger Geste ab.
    Der Offizier stand auf. »Sie haben es ja nicht so mit dem Barras«, sagte er, »befördert wollen Sie wohl nicht werden?«
    »Nein, danke, Herr Hauptmann«, versetzte Freddy schnell.
    Sein Chef wanderte im Raum auf und ab. Bis vor einer Stunde noch hatte er mit einem Bein vor dem Kriegsgericht gestanden, jetzt konnte er wieder beide bewegen, durch die Hallen des EVM, des Ersatzverpflegungsmagazins, an Beständen mit Champagner vorbei, durch die gestapelten Schokoladekisten und Zigarettenpakete hindurch, ohne Blick für die zackig grüßenden Landser, wieder ganz der Alte, der begriffen hatte: wenn man sich auf den Krieg richtig versteht, kann man jetzt besser leben als im Frieden …
    »Kleebach«, sagte er und blieb stehen. Er blinzelte Freddy mit seinem verdickten Augenlid zu. »Ich führe Sie in bessere Kreise ein … haben Sie einen anständigen Zivilanzug?«
    »Worauf Sie sich verlassen können.«
    »Über Diskretion brauche ich Ihnen ja keinen Vortrag zu halten?«
    »Nein, Herr Hauptmann.«
    »Gut«, erwiderte der Offizier lächelnd, »dann heute Abend … Ich kenn' da ein Haus in Dahlem …« Seine Zunge glitt über die Lippen, »und Sie werden es kennenlernen.«
    »Vielen Dank, Herr Hauptmann.«
    »Und Mädchen, sage ich Ihnen«, rief ihm der Chef nach, »blutjunge Dinger … aber Sie brauchen sie nicht erst aufzuwecken …« Er lachte meckernd. »So recht was für Sie … sind doch kein Kostverächter, Kleebach?«
    Zuerst fuhr Freddy nach Hause in die Lietzenburger Straße, um sich umzuziehen. Er stand vor dem Spiegel, geschniegelt und gestriegelt, ein hübscher Bursche, der keineswegs die Gelegenheit nötig hatte, die ihm ein qualliger Roué verschaffte.
    »Willst du schon wieder weg?« fragte seine Mutter.
    »Bei euch ist es mir zu trübselig«, erwiderte er lachend. »Beinahe hätte ich es vergessen.« Der Luftikus der Kleebach-Söhne ging an seine Aktentasche und packte Zigaretten, Butter und eine Flasche Wein aus. »Macht euch einen schönen Tag!« rief er und reichte seiner Mutter ein Viertelpfund Bohnenkaffee. »Heute keinen Muckefuck … wie geht's denn unseren Familienhelden?«
    »Hast ja den letzten Brief von Achim und Thomas gelesen«, erwiderte der Vater. »Du hältst die Stellung weiter in Berlin?«
    »Verlass dich drauf!« versetzte Freddy mit Nachdruck.
    Arthur Kleebach mußte lächeln. Sein Sohn, dieser Bursche, hatte soviel Charme, daß er selbst den gestrengen Vater noch damit einwickeln konnte. Freddy hielt nichts vom Sterben, er wollte leben. Er wollte kein Streber sein wie Achim und kein Ritterkreuzträger werden wie Thomas, und vor allem wollte er nicht so tot sein wie Gerd …
    Aus der Küche kam der Kaffeeduft.
    »Wie kommst du bloß immer an die guten Sachen ran?« fragte der Vater.
    »Bei uns schieben sie sackweise«, antwortete der Gigolo nonchalant, »da werd' ich doch wohl gelegentlich ein Viertelpfündchen mitnehmen dürfen.«
    »Mach keine Dummheiten, Junge.«
    »Nee«, entgegnete Freddy lächelnd, »die Dummheiten hat die Generation vor mir gemacht … ihr, zum Beispiel, mit eurer dämlichen Politik.«
    »Bitte, Freddy.«
    »Nicht böse sein … aber wir müssen die Scheiße jetzt ausbaden.« Er lachte geringschätzig. »Aber ich bin Freischwimmer, verlass dich drauf!« Er schüttete den Kaffee heiß hinunter, weil er es eilig hatte, wie immer. Er ging zu Fuß in die Wohnung des Hauptmanns, stieg in den Wagen, der Richtung Dahlem fuhr. Freddy kannte die Villa schon vom Hörensagen.
    Sein Hauptmann besaß einen Schlüssel zu dem requirierten Gebäude. Unten gab es Alkohol, oben kicherten bereits Mädchen. Vier, fünf helle Stimmen unterschied Freddy und nickte seinem Chef zufrieden zu.
    »Warten Sie mal ab, mein Lieber«, sagte der Offizier, »zuerst trinken wir uns mal Stimmung an.«
    In der Wohnhalle war eine Bar aufgebaut, die eine hübsche Blondine versah. Sie deutete zur ersten Etage. »Die sind schon ganz schön in Fahrt«, sagte sie.
    Freddy trank Kognak, der Hauptmann nahm Sekt. Oben wurde getanzt. Grelle Musikfetzen wehten in die Halle. Sonst war alles gedämpft in diesem Haus: das Licht, das Lachen, die Gespräche, das Kommen und das Gehen. Ab und zu lief eines der Mädchen nach unten und holte sich eine Flasche. Dann jeweils tätschelte der

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