Feldpostnummer unbekannt
Hauptmann an ihnen herum. Aber die willigen, billigen Geschöpfe hatten nur Augen für Freddy, der so nach ihrem Geschmack war, daß der Offizier schon wieder bereute, ihn mitgenommen zu haben.
»Ich geh' jetzt nach oben«, sagte die Blonde an der Bar und faßte den ›Gigolo‹ an der Hand, »komm mit, junger Krieger.«
Freddy legte gleich seinen Arm um ihre Schulter; sie blieb stehen und küßte ihn. Er zog den Duft ihres Parfüms ein. »Chanel Nummer fünf«, sagte er fachkundig.
»Für den Mann Nummer eins«, erwiderte sie vielversprechend.
»Kunststück unter diesen Kapaunen«, versetzte der ›Gigolo‹ spöttisch.
»Du hast leicht reden«, entgegnete sie, »die müssen Geschenke machen … du kriegst alles umsonst …«
»Alles?« fragte er.
»Später«, antwortete die Blondine und ging voraus.
Oben wurden sie mit lautem Hallo begrüßt. Es ging nicht nur hoch her, sondern auch schon drunter und drüber. Einige Pärchen tummelten sich auf dem Parkett, andere tollten einzeln herum. Die Mädchen waren schon angetrunken. Freddy blieb stehen, voller Bewunderung für den Budenzauber. »Na, Kinder«, begrüßte er sie begeistert, »nun lasst uns fröhlich sein …! Genießt den Krieg, der Friede wird furchtbar.«
Sie feierten ihn mit lärmenden Ovationen. Plötzlich war er Hahn im Korb, umgeben von vier, fünf Mädchen, zufrieden mit sich selbst wie noch nie. Er nahm die Schampusflasche vom Tisch, setzte sie an den Mund.
Noch im Trinken sah er das Mädchen, das langsam aus dem Nebenzimmer kam, und erschrak so, daß ihm der Sekt in den Kragen lief. Er hatte Marion erkannt, seine Schwester, das Nesthäkchen …
Ein Tanzpaar verdeckte sie jetzt, und so wurde er mit dem ersten Erschrecken fertig. Unsinn, sagte er sich dann unsicher, ich bin besoffen. Was hätte Marion hier zu suchen? Sie ist längst zu Hause, liegt im Bett und träumt vermutlich von ihrem Heinz, von Böckelmann, ihrem Verlobten …
Neben dem Eingang ließ ein Hauptmann mitten im Tanz seine Partnerin los. Sie prallte gegen einen Abstelltisch und warf die Gläser um. Sie zersprangen klirrend, und der Teppich saugte sich mit Alkohol voll. Der Mann beugte sich über das Mädchen. Seine kleinen Augen tränten. Im Lachen gluckerte sein Mund wie ein Sumpfloch.
»Scherben bedeuten Glück!« rief ein anderer und begann, Gläser und Flaschen gegen die Wand zu knallen.
Freddy ging auf das Knäuel der Umstehenden zu, und plötzlich war das Mädchen mit der frappanten Ähnlichkeit verschwunden.
»Wer ist denn das?« fragte er die Blondine von der Bar, die mit ihm nach oben gekommen war.
»Hat dir wohl gefallen, was? … Machst dir wohl mehr aus Rothaarigen als aus Blondinen?«
»Quatsch! … Wer ist sie?« unterbrach sie der Gigolo derb.
»Weiß nicht«, antwortete die Blondine schmollend, »war erst ein paarmal da … gehört zum Major …«
»Zu welchem Major?«
»Ist doch wurscht«, erwiderte das Mädchen von der Bar und grinste über ihr junges, freches Gesicht, »sind doch lauter Stabsoffiziere hier«, setzte sie belustigt hinzu.
Freddy Kleebach ging auf den Gang. Das Mädchen blieb verschwunden. Er sah sich einen Moment zögernd um und trat dann auf die nächstliegende Türe zu. Die Blondine folgte ihm unaufgefordert. Nebenan rief ein Betrunkener: »Hasch mich … ich bin der Frühling!«
»Lassen Sie mich los!« grölte eine Mädchenstimme.
Der Gigolo riß die Türe auf, drehte das Licht an. Aber das Zimmer blieb im Dunkel. Die Glühbirnen waren herausgeschraubt worden.
Das blonde Barmädchen nahm Freddy am Arm und zog ihn aus dem Zimmer zurück. »So kommst du in diesem Haus nicht weit«, raunte sie ihm zu. »Oberstes Gesetz ist hier Diskretion.«
»Von mir aus«, knurrte er.
Von dem Mädchen, deren Ähnlichkeit ihn genarrt hatte, war nichts mehr zu sehen, und deshalb ließ er es dabei bewenden. Er ging in den Salon zurück und ließ sich systematisch vollaufen.
»Na, also«, sagte die Blondine zufrieden.
Er trank und trank. Aber er schmeckte nur Bitterkeit. Sonst war ein Haus der offenen Türen und billigen Gelegenheit wie maßgeschneidert für seinen Geschmack. Aber heute fand er alles widerlich. Der Schnaps schmerzte an seinen Schläfen und das frivole Gehabe und hektische Getue der anderen ging ihm auf die Nerven. Er stand wie auf einer Drehscheibe, und wohin er auch sah, er erkannte nichts anderes als aufgedunsene Tomatenköpfe, emsige Polypenhände, hörte den kurzen Atem der Gelegenheit und erkannte die müde Gier
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