Feldpostnummer unbekannt
der Übersättigung.
Einer versuchte Swing im Liegen zu tanzen, bis er mit dem Kopf gegen die Wand stieß und ausgiebig fluchte. Die anderen fanden das lustig. Freddys Gönner, der Hauptmann, trat an ihn heran und fragte:
»Na … hab' ich Ihnen zu viel versprochen, Kleebach?«
»Nein, Herr Hauptmann«, antwortete Freddy verdrossen.
»Dann stehen Sie hier nicht rum wie ein Sauertopf!« Er blinzelte die Blondine neben dem Gigolo an. »Greifen Sie zu, Sportsfreund!«
Freddy nickte und ging weiter. Er geriet in den Schwarm anderer Mädchen, aber die unaufgeforderte, ständige Begleiterin dieses Abends trieb sie von ihm weg und sagte: »Der ist reserviert für mich.«
»Lass ihn doch selbst entscheiden!« versetzte eine Schwarzhaarige, die höchstens zwanzig Jahre alt war.
Die anderen betrachteten den Gigolo erwartungsvoll.
»Von euch ist mir eine so lieb wie die andere«, knurrte er wahrheitsgemäß.
Auch in den andren Räumen ging es hoch her. Stühle fielen um, und aus einer Türfassung bröckelte Mörtel. Es hörte sich an, als ob die requirierte Villa mit dem sorgfältig modulierten Licht stöhnen würde.
»Was ist denn mit dir los?« fragte die Blondine.
»Weiß auch nicht … bin heute sauer.«
»Zu viel gesoffen …«, versetzte die Blondine sachkundig.
»Nein, zu wenig«, antwortete er und griff nach der nächsten Flasche. Wieder Schampus. Freddy hatte keinen Appetit darauf, aber er nahm eben das Teuerste aus den Beständen. Gastgeber dieses Abends war die deutsche Wehrmacht, aber sie wußte nichts davon.
Er ließ sich auf das Sofa plumpsen. Die Blondine legte die Arme um seinen Hals. Ihre nervösen Finger kraulten seine Ohren. Er sah zuerst stur geradeaus, dann zog er sie mechanisch an sich. »Bist auch nicht aus Pappe«, sagte er feixend.
»Worauf du dich verlassen kannst, Kamerad …«
»Bist du oft hier?«
Das Mädchen hob die linke Mundecke und betrachtete die Zigarette nachdenklich. »Wo soll man denn sonst hingehen, im Krieg?« Sie musterte ihn aggressiv. »Was dagegen?«
»Nee«, versetzte Freddy großzügig.
»Bist ja schließlich auch hier«, entgegnete sie.
Er nickte.
»Und das ist ganz gut so …«, bemerkte die Blondine abschließend.
»Wie heißt du eigentlich?«
Sie rümpfte die Nase. »Malwine«, antwortete sie. »Meinen Eltern ist nichts Besseres eingefallen … Tante als Taufpatin und so … weißt schon …« Sie wippte mit ihren Absätzen.
Jetzt betrachtete der Gigolo sie bewußt: die hübsche Figur, den wissenden Mund, die Augen, die viel älter wirkten als das Gesicht. Sie war hübsch, und er würde es nicht schwer mit ihr haben, denn sie war auch leicht, Federgewicht.
Die Blondine hielt ihm wieder ein gefülltes Glas hin.
Freddy trank schnell und willig. »Ich fress' dir schon aus der Hand.«
»Ganz hübscher Anfang.«
»Und wie geht das weiter?« fragte er.
»Das liegt bei dir«, girrte ihn die Blondine an.
»Auf mich kann man sich immer verlassen«, antwortete Freddy mit einem dümmlichen Grinsen.
»Hab' ich mir schon gedacht.« Malwine drückte ihre Kippe im Aschenbecher so nachdrücklich aus, als sei sie sich schlüssig geworden. »Kommst du mit mir?« raunte sie ihm zu.
»Wohin?«
»Na … irgendwohin … das Haus ist doch groß genug.«
»Kann man denn das?«
»Hier kann man alles.«
»Na, schön«, versetzte der Gigolo und stand auf.
Sie lehnte sich gegen ihn, teils aus Zuneigung, teils aus Unsicherheit. Sie wollten sich so unauffällig wie möglich aus dem Salon stehlen, aber sie hatten nicht mit der Schwarzhaarigen gerechnet, der Freddy nicht übel gefallen hatte. »Ich schau' auf die Uhr«, rief sie ihnen nach.
Malwine streckte ihr die Zunge heraus. Sie gingen in den zweiten Stock. Das Mädchen wies auf die letzte Türe links. Einen Moment blieben sie stehen und horchten.
»Roter Mohn …«, plärrte unten eine träge Stimme, »warum welkst du denn schon …?«
Die Blondine öffnete behutsam die Türe. Der Gigolo folgte ihr mit festem Schritt. Während sie mit der linken Hand den Lichtschalter suchte, drehte sie sich nach ihm um und legte den Zeigefinger auf ihre Lippen. Er nickte, und jetzt gefiel sie ihm ganz gut.
Das Licht wirkte wie ein Blitz. Ein Pärchen fuhr auseinander. Zuerst sah Freddy nur den Mann. Seine Uniform mit den geflochtenen Schulterstücken eines Majors hing über dem Stuhl.
»Idiot!« fauchte ihn der Offizier an.
Jetzt erkannte Freddy das Mädchen, und sowohl über ihre Situation wie über ihre Identität
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