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Feldpostnummer unbekannt

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Titel: Feldpostnummer unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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die Ohren zu, weil er glaubte, wieder das tierische Gebrüll zu hören und die Poilus zu sehen, die ausgestiegen waren, in blinder Panik aus dem Feuer liefen, und dann hoffte Kleebach jeweils im Wahn törichter Sekunden, daß sie durchkommen möchten, denn der Zwanzigjährige war weder der schlechteste Mensch noch der beste Soldat …
    Auf einmal verstärkte sich das Dröhnen.
    »Die kommen ja von links!« fluchte Kleebach, der sie von vorne erwartet hatte.
    »Schon schlecht«, brummelte der Ladeschütze, während sie zusammen die Pak herumrissen.
    Langsam krochen sie näher, schwarze Schatten zuerst, dann unförmige Käfer. Drei, fünf, elf, siebzehn – so viele, daß es Kleebach aufgab, sie zu zählen. Er richtete sein Geschütz auf den vordersten ein und wartete. Er wartete auf den Tod, den er zu bieten hatte.
    »Entfernung neunhundert Meter«, kam die Meldung vom Messer. »Achthundertfünfzig«, verbesserte sich der Mann.
    Das Gedröhn schwoll noch stärker an. Die Erde schien vor Angst zu beben. Der fetzende Motorenlärm sägte an den Nerven. Der Mund wurde trocken. In der Zielrichtung tänzelten Lichteffekte. Wer sich nicht hinter die Pak zu bücken brauchte, lag auf der Erde und sehnte sich danach, so tief wie möglich unter ihre Haut zu kriechen.
    »Siebenhundert Meter«, kam der neue Meßwert durch.
    Noch Zeit, zwang sich Kleebach zur Ruhe. Er sah nach links, wo sein Freund Böckelmann seitwärts vor ihm in einem Panzerdeckungsloch lag, das vermutlich nicht einstürzen würde. Er betrachtete die Mulde, in der die Sturmgeschütze darauf warteten, dem Feind in die Flanke zu knallen. Er blickte nach oben, von wo plötzlich ein anderes Gedröhne kam. Ziemlich nieder flogen die brummenden Schatten heran. Tausend Meter Höhe vielleicht, Flugzeuge, deutsche Stukas vom Typ Ju 87.
    Na endlich, dachte Kleebach erleichtert. Er verfolgte aus den Augenwinkeln, wie die Ju's eine Schleife zogen, um sich zu orientieren, wie sie die feindlichen Panzer erkannten und anflogen, langsam, bedächtig fast, wie sie dann mit einem plötzlichen Abkippen ihre gierigen Schnauzen nach unten stellten, wie die Motoren heulten, wie die Sirenen einsetzten, wie sich die Stukas direkt auf das Ziel stürzten, auf die Panzer, die im verzweifelten Zickzack entkommen wollten, wie sich der schwarze Punkt löste, der immer größer wurde und immer gräßlicher rauschte, wie der Boden zitterte, bis er mit einem einzigen Knall platzte, in dem alles unterging.
    Vier Stukas hatten ihre Bomben abgeworfen und drehten bei, um im E-Hafen neue zu fassen. Hochbetrieb heute für Stukas, vier-, fünfmal und noch öfter mußten sie aufsteigen. Aber die Engländer schienen über Nacht mehr Panzer aus dem Boden gezaubert zu haben als die Luftwaffe Stukas hatte.
    Die letzten beiden griffen an. Wo der zweitvorderste Panzer stand, war nur noch ein riesiger, gezackter Trichter. Ein zweiter Tommy stand in hellen Flammen. Ein dritter drehte bei und zog eine stinkende Rauchfahne hinter sich her.
    Aber die anderen rollten weiter nach vorne, auf Kleebachs Pak zu, die sie noch nicht ausgemacht hatten. Stur. Langsam. Unerbittlich. Brummig. 400 Meter noch.
    »Feuer frei!« befahl der Kompaniechef.
    Drei Sekunden später hatte Richtkanonier Kleebach die erste Granate aus dem Rohr gerotzt.
    »Treffer!« brüllte Böckelmann, der die Feuerwirkung zu beobachten hatte.
    Genau am Turm, dachte Kleebach, biß seine Schneidezähne in die Unterlippe und nahm den nächsten aufs Korn. Dann zog die Sprengwolke ab – und die deutschen Kanoniere betrachteten mit rotgeränderten Augen das Unfaßliche: der getroffene Panzer rollte weiter. Genau am Turm erfaßt, kam er näher, als ob nichts geschehen sei, als ob ihn ein Kieselstein belästigt und keine Granate getroffen hätte.
    Blindgänger, überlegte Kleebach und jagte Schuß auf Schuß hinaus. Er spürte, wie seine Knie zitterten und seine Augen schmerzten. Die Zielansprache war genau, seine Hand sicher, jede Funktion saß.
    Und es half nichts.
    Kleebach verkrallte sich in den vordersten Panzer, schoß und schoß, traf und traf, mit rasendem Zorn, hatte nur noch ein Ziel im Leben vor Augen, nur einen Gedanken, nur einen Wunsch, nur einen Wahn: das verhasste schwarze Drecksding zu vernichten.
    Zweihundert Meter noch.
    Die Tommies in ihren Panzern hatten es nicht einmal nötig, zu schießen. Jetzt erst merkten die genarrten Männer von der Pak, daß der Feind das Feuer nicht erwiderte, und dabei war er schon so dicht heran, daß man

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