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Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)

Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)

Titel: Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Welsh
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das sie unbedingt haben will – meistens Dinge –, aber auch Menschen … die Mannschaft der Sturmwolke zum Beispiel.«
    Felicity nickte. Sie nahm ihr Buch aus ihrer Schultasche, kauerte sich hin und fing an zu blättern.
    »Ah, hier ist es«, sagte sie nach einer Weile. »In dem Kapitel ›Urgeschichten‹.«
    Die Hüterin der Winde konnte so einen Jungen gut gebrauchen, las sie vor. Darum nahm sie ihn seinem Onkel weg, einem Trunkenbold, der ihn oft schlug. Der Junge hatte eine Schwester, aber für sie hatte die Hüterin keine Verwendung, und darum brachte sie das Mädchen einfach um.
    Der Junge wusste nicht, dass sie die Mörderin seiner Schwester war, er wusste nur, dass die Hüterin ihn aus den Klauen seines brutalen Vormunds befreit hatte, und dafür war er ihr dankbar und blieb ihr immer treu ergeben. Und von da an zog sie immer wieder solche Jungen an sich und machte sie zu ihren Dienern.
    »Es gibt eine ganze Menge solcher Geschichten«, Felicity seufzte traurig, »alle ganz kurz, aber voller Tod und Elend.«
    »Ja«, sagte Martha. »Die ganze Mannschaft der Sturmwolke besteht aus Leuten, die sich die Herrin als Kinder gekrallt hat. Das Schiff zieht sie magisch an. So funktionieren diese Geschichten. Eine geniale Methode, Arbeitskräfte anzuwerben, nicht?«
    »Wohl eher Sklaven«, bemerkte Henry.
    Martha machte eine wegwerfende Handbewegung. »Sicher, es ist grauenhaft, aber sie ist wirklich schlau, das muss man ihr lassen.«
    »Sie ist eine durch und durch hassenswerte Person.«
    »Ja … und nein …«, sagte Martha zögernd. »Das ist die zweite Sache, über die ich mit euch reden wollte …«
    Felicity unterbrach sie: »Sie ist streng genommen gar keine Person , kein menschliches Wesen, oder?«
    Martha schüttelte den Kopf. »Nein, sie ist ganz entschieden nicht das, was man üblicherweise einen Menschen nennt.«
    »Wieso?«, fragte Henry.
    »Sie ist nicht geboren worden, sondern verdankt ihr Leben einer Geschichte«, sagte Martha. »Und angeblich kann sie nicht getötet werden. Jedenfalls steht fest, dass es sie jetzt schon sehr lange gibt.«
    Felicity wurde ganz mutlos, aber sie sagte nichts.
    »Ich glaube, dein Großvater hat das alles gewusst«, fuhr Martha fort. »Wahrscheinlich hat er sich deswegen dazu entschlossen, diese Geschichte zu schaffen. Vielleicht glaubte er, das ist die einzige Möglichkeit, sie zu vernichten. Aber auch all das Schreckliche, das sie tut, hat eine Wirkung auf sie: Jede böse, grausame Tat tötet einen kleinen Teil ihrer Seele. Jetzt, nach Hunderten von Jahren voller Verbrechen, ist sie wohl so etwas wie eine lebende Tote – ihre Hülle ist noch da, aber ihr Innerstes ist abgestorben. So ungefähr wie bei einer Mumie.« Felicity nickte. »Ja, genau so hat sie ausgesehen an Weihnachten. Wie ein Wesen, von dem nichts als Haut und Knochen übrig sind, ein schreckliches Skelett.«
    Henry kehrte ganz direkt zum Kern der Sache zurück: »Jedenfalls habt ihr in euren Büchern nichts darüber gefunden, wie man sie töten kann, richtig?«
    »Das stimmt«, gab Martha zu. »Aber man glaubt, dass die Hüterinnen am Ende von dem Element, dem sie zugeordnet sind, verschlungen werden und dass sie dann Rechenschaft ablegen müssen über ihre Taten in der Welt.«
    »Klingt ziemlich grausig«, meinte Henry. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich darauf freut.«
    Felicity fröstelte. »Sie hat so viele scheußliche Verbrechen begangen«, sagte sie, »dass sie alles versuchen wird, damit sie um diese Abrechnung herumkommt.«
    Es war Freitag und die Schule war aus. Felicity ging zögerlich über den Pausenhof zum Tor. Sie war bedrückt, denn sie musste wieder zu einer Taktikbesprechung des Segelteams. Eigentlich sollte sie sich darüber freuen, dachte sie, dass sie auch dieses Mal für den Wettkampf nominiert worden war, aber sie hatte wenig Hoffnung, dass die anderen sie freundlich aufnehmen würden.
    Am Eingang stand eine Gruppe von Schülerinnen um irgendetwas gedrängt, das Felicity nicht sehen konnte. Sie hörte aufgeregtes Gekicher und sah nervöse Hände, die hektisch an Frisuren fummelten. Dann erkannte sie, dass da ein Auto stand. Am Steuer saß – sie musste zweimal hinschauen – niemand anders als Jeb. Er winkte ihr linkisch zu, die anderen Mädchen drehten sich um und starrten sie verblüfft an. Dann machten sie Platz und sie schritt durch die Menge wie Moses durchs Rote Meer.
    »Isaac hat mir sein Auto geliehen. Ich dachte, ich hole dich ab und bringe dich

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