Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)

Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)

Titel: Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Welsh
Vom Netzwerk:
Bar des Wirtshauses Zum goldenen Fernrohr nahm Villainous Usage noch einen vorsichtigen Schluck von seinem Bier. Er saß, die Füße auf den Querstreben seines Barhockers, sonderbar gekrümmt da wie eine übergroße graue, ungewöhnlich streng riechende Gottesanbeterin.
    Hinter dem Tresen wischte Simnel, der Wirt, mit einem vor Dreck starrenden Lappen Gläser ab. Er warf dem jungen Mann einen finsteren Blick zu: An solchen Hungerleidern, die kaum Geld genug für ein einziges Bier in der Tasche hatten, war nichts zu verdienen. Aber als wären seine Gebete erhört worden, ging im nächsten Moment die Tür auf, und einer seiner Lieblingsgäste trat ein. Prompt setzte er sein Wirtsgrinsen auf, sein Gesicht strahlte nur so vor Willkommensfreude und Gemütlichkeit.
    »War der Kerl von der Küstenwache in letzter Zeit mal wieder hier?«, fragte der Stammgast.
    Simnel war schon dabei, dem Mann ein Bier einzuschenken. Er schüttelte den Kopf und schnitt dazu eine Grimasse, die andeutete, dass er auf Gäste wie Jasper Cutgrass keinen gesteigerten Wert legte.
    Der Neuankömmling lachte. »Ich hab gehört, er hat allen möglichen Leuten Löcher in den Bauch gefragt.«
    Simnel runzelte die Stirn und gab ein missbilligendes Grunzen von sich.
    »Ja, aber da ist noch was, das glaubst du nicht …« Der Mann senkte geheimnistuerisch die Stimme. Simnel beugte sich vor, damit er ihn besser verstehen konnte.
    »Maddox hat mir erzählt«, fuhr der Gast fort, »er hat gehört, dass Cutgrass angeblich eine Sturmmaschine dabeihatte. In einer Segeltuchtasche.«
    Simnel war nicht leicht aus der Fassung zu bringen, aber jetzt wurden seine Augen ganz weit.
    »Hast du so was schon mal gehört?«, fragte der andere.
    Simnel schüttelte nur staunend den Kopf.
    »In einer Segeltuchtasche!« Der Stammgast kicherte. »Es gibt Leute, denen kann man wirklich jeden Blödsinn erzählen. Die glauben dir auch, wenn du sagst, man hat Cutgrass mit einem Einhorn gesehen.«
    Dem Wirt wurde peinlich bewusst, dass er einen unbewachten Moment lang selbst einer von diesen leichtgläubigen Trotteln gewesen war. Er stimmte in das Gelächter ein, damit der andere keinen Verdacht schöpfte. »Ja, die Dummen werden nicht alle«, sagte er.
    Villainous saß die ganze Zeit regungslos da, scheinbar stumpfsinnig in den Anblick seines fast leeren Glases vertieft. Aber in seinem Hirn ging es lebhaft zu: Er dachte daran, wie Jasper Cutgrass immerzu nervös an dieser Segeltuchtasche herumgefingert hatte, und an seine Sonnenbräune, die so gar nicht zur Jahreszeit passte. Wortlos rutschte er von seinem Barhocker, verließ das Lokal und machte sich auf den Weg zu einem Haus, das nicht weit von dem der Usages entfernt stand. Er war sich nicht sicher, aber die Sache war einen Versuch wert. Seine Mutter würde sich freuen, falls es stimmte, was er vermutete. Und sie würde endlich einmal so richtig zufrieden mit ihm sein.
    Felicity wusste natürlich nichts von Villainous’ Plänen, aber auch sie war durch und durch entschlossen: Sie wollte der Verantwortung, die Rafe Gallant ihr aufgeladen hatte, gerecht werden und ihre Aufgabe meistern.
    In der ersten Pause standen sie und Henry draußen in einer Ecke des Schulhofs. Der Himmel war grau und unruhig. Die beiden drängten sich nah an die Mauer, die zumindest ein bisschen vor dem bitterkalten Wind schützte.
    »Wieso zwingen die einen, sich an so einem Tag im Freien aufzuhalten?«, klagte Felicity und zog ihren Mantel eng um ihren Körper.
    Henry hüpfte wie ein Gummiball, um seine halb eingefrorenen Zehen wiederzubeleben. »Weil die der festen Überzeugung sind, dass man nie zu viel frische Luft kriegen kann, auch wenn sie einen umbringt«, sagte er.
    Martha kam, mit einer Unmenge von Büchern beladen, über den Schulhof. Ihre Arme waren kaum lang genug, den ganzen Packen zu halten.
    »Ah, du hast dir ein bisschen leichte Lektüre besorgt, damit dir nicht langweilig wird«, bemerkte Henry mit Unschuldsmiene.
    »Ich habe heute Morgen in der Bibliothek vorbeigeschaut«, antwortete Martha. »Solltest du auch mal probieren, Henry. Ein bisschen Lesen könnte bei dir wahre Wunder wirken.«
    Henry streckte ihr die Zunge heraus.
    »Ich habe zwar nichts gefunden, das sich speziell mit den Themen der Urgeschichten befasst, aber es gibt genügend verstreute Informationen, aus denen man sich ein Bild zusammensetzen kann. Deine Großmutter hat alle möglichen Geschichten geschaffen, Felicity. Sie handeln immer davon, dass sie irgendwas kriegt,

Weitere Kostenlose Bücher