Felicity Gallant und das steinerne Herz (German Edition)
brütende Hitze schien ihm nichts auszumachen. Er wirkte frisch und konzentriert, als herrschte heiteres Frühlingswetter. »Sie übernehmen die Nachrichten aus den Polarregionen. Ihr Platz ist Tisch 4 b, Sektion A«, sagte er.
Abednego nickte und machte sich auf den Weg.
Miss Cameron rührte sich nicht von der Stelle. »Haben Sie meine Bitte geprüft, mit den Kindern Kontakt aufnehmen zu dürfen?«, fragte sie.
»Ja. Ihr Antrag ist abgelehnt. Konzentrieren Sie sich auf Ihre Arbeit.«
»Ich mache mir Sorgen um sie.«
»Dazu besteht kein Grund. Jasper Cutgrass kümmert sich um alles Nötige in Wellow. Solange wir die Quelle nicht finden, ist niemand in Sicherheit.« Er kritzelte etwas auf das Blatt auf seinem Klemmbrett.
Miss Cameron öffnete den Mund.
»Aus unserem gesammelten Material geht klar hervor, dass Wellow gewiss nicht der Ort ist, den wir suchen.«
»Ich glaube, Sie irren sich: Wellow spielt eine besondere Rolle.«
Ein Ausdruck von Ärger huschte über das Gesicht des Mannes. Dieser Mangel an Selbstbeherrschung reizte ihn noch mehr. »Ich möchte diese Diskussion nicht immer wieder neu führen. Sie werden doch nicht unsere Forschungsergebnisse infrage stellen wollen?«
»Sie haben mir nicht die Möglichkeit gegeben, die Sache in Wellow selbst zu untersuchen. Ich kenne die Stadt am besten«, sagte sie. »Und warum verweigern Sie mir die Auskunft darüber, was genau Sie herausgefunden haben?«
Ihr Kollege starrte sie an, als wäre sie irrsinnig. Diese Frau, die sich so hartnäckig widersetzte, war ihm unerträglich. »Vielleicht sollten wir eine neue Geschichte erzählen und sehen, ob das Problem so zu lösen ist?« Seine Stimme war schneidend kalt.
Miss Cameron hielt den Atem an.
Der Mann musterte sie kühl. »Es war ein Fehler, Sie so lange in Wellow zu lassen. Offenbar hat in all der Zeit Ihr gesunder Menschenverstand gelitten. Tun Sie einfach, was Ihnen befohlen wird.«
Miss Cameron ging. Sie war wie vor den Kopf geschlagen. Aber sie wusste jetzt, dass ihre Position in der Bibliothekarsvereinigung bedroht war. Sie würde weder mit Felicity noch mit sonst jemandem in Wellow Kontakt aufnehmen können, bis alles vorbei war.
»Im Ernst, Martha, du musst dich ausruhen«, sagte Henry am nächsten Tag. Es war Mittag, aber die Schule war schon aus: Man hatte Risse in den Wänden der Turnhalle entdeckt, darum war der Sportunterricht am Nachmittag ausgefallen. Die Kinder waren in die Bibliothek gegangen und Martha hatte sich in eine stille Ecke verdrückt. Die anderen hatten gedacht, sie wollte ein bisschen ausspannen, aber als Henry und seine Brüder dann auf der Suche nach einem gemütlichen Platz, an dem sie ihr Mittagessen verzehren konnten, durch den Saal streiften, ertappten sie ihre Freundin dabei, wie sie schon wieder Bücher wälzte, um endlich Licht in Alices Botschaft zu bringen.
Jasper saß neben ihr und half ihr, die Dinge, die sie herausgefunden hatte, zu ordnen und auf Karteikärtchen festzuhalten. Man sah ihm an, dass er innerlich zerrissen war: Einerseits wollte er Martha bei ihrer Arbeit unterstützen, andererseits hatte er ein schlechtes Gewissen, weil er wusste, dass sie dringend Erholung nötig hatte.
Percy und Will setzten sich auf eine Bank und packten die belegten Brote aus, die ihre Mutter ihnen mitgegeben hatte. Sie dachte, die beiden wären beim Angeln.
»Wer weiß, ob die Bibliothekare überhaupt etwas unternehmen«, sagte Martha finster. »Hast du das Gefühl, wir können uns auf sie verlassen?«
Percy seufzte. »Ja, das stimmt schon, aber es bleibt uns nichts anderes übrig. Wenn du so weitermachst, klappst du bald zusammen.«
Felicity brachte Tee für alle.
Marthas Gesicht war blass, ihre Sommersprossen waren fast alle verschwunden. »Da sind eine Menge eingeklebter Zettel drin«, sagte sie nachdenklich. »Vielleicht ist einer verloren gegangen?«
Felicity fiel das lose Stück Papier wieder ein, das in dem Tagebuch gelegen hatte. Wie hatte sie das nur vergessen können? »Äh«, sagte sie verlegen. »Jetzt, wo du das sagst, fällt mir was ein: Da steckte ein Zettel drin mit einer Strickanleitung.«
Martha sah sie erstaunt an.
Jasper hüstelte verlegen.
Felicity wurde ganz mulmig. Sie rannte zur Garderobe und kramte in ihrer Manteltasche. Gott sei Dank, der Zettel war noch da. »Es ist wirklich nur eine Strickanleitung, nichts Wichtiges«, sagte sie und hielt ihn Martha hin.
Martha nahm das Papier und las es.
Gestreifte Fausthandschuhe
1 Knäuel
Weitere Kostenlose Bücher