Felicity Gallant und das steinerne Herz (German Edition)
Erdhexe verwandelte sich in Granit, aber ihr Herz blieb rot. Henry hat recht: Der Blutstein sieht wie ein Herz aus – er sieht deswegen so aus, weil er das Herz der Erdhexe ist. Offenbar ist es heil geblieben, als ihr Körper in Stücke sprang, und die Windhexe hat es an sich genommen.«
Martha sah aus, als wäre ihr ein bisschen schwindlig.
»Und wie ist es dann in den Besitz der Gentry gelangt?«, fragte Jasper.
»Ich habe keine Ahnung«, sagte Felicity. »Aber die Geschichte passt so gut zur
Herrin
, das ist genau die Art Grausamkeit, die sie auszeichnet.«
Sie schaute auf die Uhr. Es fiel ihr schwer, einen klaren Gedanken zu fassen, ihr schwirrte der Kopf.
Es war nicht vorbei,
und sie wusste nicht, ob sie stark genug war, weiterzukämpfen. Allen schien ihre Theorie einzuleuchten; sie diskutierten aufgeregt miteinander. Felicity konnte sie hören, aber es fühlte sich an, als wäre sie nicht im selben Raum.
»Die Erdhexe will den Stein nicht verwenden, um Menschen zu vergiften. Povl Usage hat von der Quelle Kraft gewünscht, aber sie braucht außerdem ihr Herz«, sagte Martha.
»Der Blutstein ist das fehlende Teil in ihrem Puzzle«, sagte Jasper.
»Also müssen
wir
ihn finden – wir müssen ihr zuvorkommen.« Martha nahm das Buch und starrte auf das Bild.
Henry drückte mit den Fingern gegen seine Schläfen. Er wirkte plötzlich kraftlos und ausgelaugt.
Felicity schüttelte den Kopf – ihr wurde das alles zu viel. »Ich muss gehen«, sagte sie leise. »Wir feiern Olivias Geburtstag, da kann ich nicht wegbleiben. Ich komme später wieder.«
Sie stand abrupt auf. Ihr war, als wäre die Zeit stehengeblieben, sie konnte kaum atmen. An der Tür drehte sie sich noch einmal nach Jeb um und ihr Gesicht hellte sich etwas auf. Er zwinkerte ihr kaum merklich zu.
Henry beobachtete sie mit steinerner Miene.
Auch Martha erhob sich. Sie war frustriert und wollte nur noch ihre Ruhe. »Wenn ihr nichts dagegen habt, ziehe ich mich jetzt zurück, um eine Weile alleine zu arbeiten.« Sie stapfte davon ins Lesezimmer.
Jasper räusperte sich verlegen. »Na ja, vielleicht, ähm … Ich gehe dann mal in meine Wohnung«, sagte er bedrückt. Er wusste nicht recht, warum alle so übellaunig waren. Hatte er sie irgendwie verärgert?
»Großartig.« Henry schnaubte mürrisch, aber eigentlich kam es ihm ganz gelegen, dass Jasper das Feld räumte, denn nun, da er mit Jeb allein war, konnte er endlich seinem angestauten Zorn freien Lauf lassen. »Was bildest du dir überhaupt ein?«, fauchte er.
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, sagte Jeb verdattert.
»Meinst du vielleicht, Felicity lässt sich mit einem wie dir ein? Sie hat was Besseres verdient. Jeder hier weiß doch, was für Leute die Tempests sind.«
Jeb starrte stumm auf den Boden. »Ah, das ist deine Meinung über mich? Ich hätte es mir denken können«, sagte er nach einer Weile.
»Ja, allerdings. Es gibt genügend Mädchen in Wellow, die dir nachlaufen. Such dir eine von denen aus und lass Felicity in Ruhe.«
»Ist gut«, sagte Jeb. Er zog seine Jacke an und ging.
Felicity wusste nicht, wie sie es schaffte, den Geburtstagstee durchzustehen. Sie hätte die Feier um nichts in der Welt versäumen wollen, doch ihre Gedanken irrten ständig ab, und sie sah alles um sich herum wie in Nebel gehüllt.
Sie saß mit dem Baby auf dem Schoß im Esszimmer vor einem reich gedeckten Tisch, während ihre Familie ein Geburtstagslied sang, und überlegte fieberhaft, wie sie den Blutstein finden konnten. Die Vorstellung, was aus der Welt werden würde, wenn die Erdhexe ihr Herz wiederhatte, war grauenhaft. Felicity streichelte die pummeligen Ärmchen ihrer kleinen Schwester und schloss die Augen, aber die Angst ließ sie nicht los.
Sie nahm sich ein Stück Torte, doch sie brachte keinen Bissen hinunter. In einem unbeobachteten Augenblick versteckte sie ihren Teller, um den Kuchen später wegzuwerfen. Olivia umarmte Felicity tapsig und gab ihr einen feuchten Babykuss, und ihre große Schwester kniff die Augen zusammen, um ihre Tränen zu verbergen.
Als endlich die Geburtstagskerzen ausgeblasen waren und Olivia in ihrem Bettchen lag, zog Felicity Mantel und Schal an und machte sich auf den Weg zur Bibliothek.
Auf der Straße vor dem Haus kam ihr einen Moment lang Jeb in den Sinn. Sie lächelte – wenigstens ein Lichtblick in all der Düsternis.
Sie bog um die Ecke und stieß beinahe mit Miranda Blake zusammen, die zu ihrem eleganten Wintermantel eine Pelzmütze und
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