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Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12

Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12

Titel: Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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heimgesuchten
Spaghetti-Haufen zu treten, und begab mich dann zur Ausgrabungsstätte. Über
Holzstege, die über Gräben zwischen freigelegten Mauerzeilen schwebten, und an
abgeschlagenen Steinköpfen vom Umfang riesiger Schneebälle vorbei ging es
schließlich zur Empore. Dort erwartete mich ein Knäuel aus Haaren
unterschiedlichen Kolorits, der wie bei schwerem Seegang auf- und abwog,
vorwärts driftete und wieder zurück. Wie es eben so meine Art war, wollte es
mir freilich nicht im Traum einfallen, mich brav hinten anzustellen, bis ich an
die Reihe kam. Offengesagt befürchtete ich, vor Entkräftung umzufallen, wenn
ich die Warteschleife nahm.
    Ich quetschte und drückte mich zwischen den
Kollegen rücksichtslos nach vorne, was mich wohl nicht gerade zum
Aushängeschild für mein Herkunftsland machte. Über Sprachprobleme, falls ich
wegen meines rüden Verhaltens von der Seite angequatscht würde, machte ich mir
keine Gedanken. Wir verständigen uns nämlich überall auf der Welt mit ein und
derselben Sprache. Allerdings ist sie jeweils von regionalen und ländlichen
Dialekten geprägt.
    Allmählich sah ich über Köpfe und aufgerichtete
Ohren hinweg das Zentrum des Gedränges, einen kleinen freien Kreis, auf den
alle zustrebten. Dabei lief mir das Wasser nicht nur im Maul zusammen, sondern
es tropfte mir schon aus den Maulwinkeln. Es irritierte mich allerdings, daß
bei meinen Mitdränglern trotz des Festmahls da vorne und trotz der zu
erwartenden Reibereien eine seltsam gedämpfte Stimmung herrschte. Niemand
fauchte futterneidisch seinen Nachbarn an oder teilte gar aus, und niemand gab
einen Laut von sich. Es war, als würden alle einen schweren Gang gehen. Stieß
ich einen der Umstehenden grob zur Seite, kam keine Gegenreaktion; sie ließen
es sich einfach gefallen.
    Schließlich erfuhr ich den Grund für die Zurückhaltung.
    Gerade da verschwand auch der letzte Glutschein der
untergegangenen Sonne. Düsternis sank auf den Largo Argentina und blendete
nicht nur die kunstvollen Details der Anlage aus, sondern auch die brummenden
Verkehrgeräusche ringsherum, ja, sämtliche Geräusche, bis eine gespenstische
Stille einkehrte. Ich kämpfte mich zur vordersten Reihe, doch was ich im
Zentrum des Kreises sah, war nicht das begehrte große Fressen, sondern eine
Leiche, die nicht schrecklicher hätte verstümmelt sein können. Es handelte sich
um eine Schwester der Rasse Siam. Sie besaß das typische dunkle Maskengesicht,
das sich über vanilleweißem Fell von der Schnauzpartie bis über die Stirn
hinweg erstreckte. Auch Ohren, Beine und der Schwanz waren verschattet. Aus
diesem hinreißenden Schattenbild ragten die azurblauen Augen hervor –
aufgerissene, starre Augen.
    Sie lag da, als hätte sie sich in der Mittagshitze
zur Seite gelegt und sei eingeschlafen. Daß dies jedoch nicht der Wirklichkeit
entsprach, bezeugte etwas derart Grausames, dessen bloße Betrachtung mir den
Verstand zu rauben drohte. Dort, wo aus dem linken Teil des Kopfes
normalerweise die Ohrmuschel herauswuchs, klaffte ein Loch vom Umfang einer
Kinderfaust. Aber nicht nur das Ohr selbst war verschwunden, sondern die
gesamte Schädelpartie, in die der Gehörgang, das Trommelfell, Ohrknöchelchen,
die sogenannte Schnecke und die Nervenbahnen zum Gehirn eingebettet sind. Alles
weg!
    Die zertrümmerte Schädeldecke wirkte wie gesprengt
und gab die Sicht auf einen blutgeränderten Abgrund frei, in dem das Rosa des
zerstörten Hirns, winzige Knochensplitter und eine schleimige Schicht zu sehen
waren. Ein Monster hätte kein schlimmeres Übel anrichten können.
    Meine Augen füllten sich mit den ersten heißen
Tränen, und ein Zittern bemächtigte sich meines Körpers, als hätte sich der
Süden schlagartig in den tiefsten Norden verkehrt.
    »Scusi, Signore!« hörte ich plötzlich eine Stimme
hinter meinem Rücken aus dem Kreis der noch Lebenden.
    Ich drehte mich um und blickte in ein Gesicht, das
durch ungezählte Kämpfe und unbehandelte Infektionen von Narben und Furchen
übersät war. Zwei strahlende Kupferaugen schauten aus dieser rauchfarbigen
Kriegslandschaft geradewegs in die meinen.
    »Sie scheinen Ausländer zu sein, Signore, und haben
so etwas bestimmt noch nie gesehen«, sagte der graue Fremde, dessen ganze
Erscheinung einer Daunenfeder-Explosion ähnelte. »Aber bei uns hier in Rom sind
solche Anblicke nichts Ungewöhnliches.«
    »Irrtum, Signore«, erwiderte ich, während mir die
Tränen zum Maul hinabrannen und dann

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