Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12
erhaschen. Kammern, aus denen aufgetürmte Totenschädel mit
aufgerissenen Kiefern lachten, flatternde Spinnwebenvorhänge, hinter denen
unaussprechliche Dinge vor sich zu gehen schienen, und sich unendlich windende
Korridore voller Ratten, die wegen ihrer Überzahl in mir bereits den Anflug
eines Jagdinstinkts im Keim erstickten. Daneben streiften wir an Grabnischen
mit losen Gebeinen vorbei und an Steinplatten, in die Gedenksprüche in Latein
oder in Aramäisch eingraviert waren. Ich befürchtete schon, jeden Augenblick
würde uns Gustav mit einer Petroleumlampe in der Hand entgegentorkeln, mit
aufgerissenen Augen und irre lachend, endgültig übergeschnappt ob seines
aufregenden Fundes.
Trotz meines sich sträubenden Fells versuchte ich
so weit es ging, Haltung zu bewahren und mir nicht anmerken zu lassen, daß ich
vor Beklommenheit kurz davor stand, die Unterwelt mit einem umweltfreundlichen
Strahl zu bereichern.
»Können wir jetzt endlich den Bogen zu den Morden
spannen, Samantha?« sagte ich in einem Ton, der sich unheimlich gelassen
anhören sollte, der aber eher wie ein klägliches Krächzen klang. »Wenn es denn
stimmt, daß diese Morde alle stattgefunden haben.«
»Wie viele Morde es gegeben hat, kann ich dir auch
nicht genau beantworten, Francis«, sagte Samantha.
»Keine Polizei der Welt zählt tote Schnurrer. Und
ist dir schon einmal ein Kommissar begegnet, der seine Arbeitszeit damit
verschwendet, die Todesursache von Haustieren zu untersuchen? In der Zeitung
liest man davon jedenfalls nichts. Ich bin auf Besucher wie dich und Antonio
angewiesen, um nähere Informationen zu erhalten. Nach dem, was ich seit einiger
Zeit jedoch in Erfahrung gebracht habe, scheint es sich um Ritualmorde zu
handeln. Man hat bei den Opfern stets ein Ohr ›entkernt‹, ja, ich schätze, das
Wort trifft einigermaßen den Tatbestand. Und da mein Hausherr ziemlich
einsiedlerisch lebt und sehr dem Okkultismus zugeneigt ist, kam mir die Idee,
ihn ein bißchen zu beschnüffeln. Ich begann mit der Literatur aus seiner großen
Bibliothek, mit der er sich tagtäglich beschäftigt. Ab da war es ein
Kinderspiel, die logische Linie herzustellen.«
»Was für eine logische Linie?«
»Es geht bei der Theosophie um Inkarnation,
Francis.
Demnach wandert die Seele nach dem Tod des Körpers
einfach eine Haustür weiter; sie wird in einem neuen Körper wiedergeboren,
zumeist auch als ein völlig anderes Wesen, zum Beispiel als ein Tier. An diesem
Punkt kommen wir ins Spiel. Da unsere Art seit Urzeiten mit Hexerei und
Übersinnlichem in Verbindung gebracht wird und als Trägerin der Geheimnisse aus
der jenseitigen Welt gilt, ist in diesem Kreis die Überzeugung weit verbreitet,
daß vornehmlich wir die Seelen der menschlichen Ahnen beherbergen. Ein
Aberglaube, der ziemlich resistent ist. In ihren okkulten Zeremonien versuchen
die Theosophen daher, durch Opferung von unseresgleichen die edlen Seelen zu
befreien und mit ihnen in Kontakt zu treten oder sich diese gar
einzuverleiben.«
Es ging nun steil abwärts. Wir standen unmittelbar
vor unserem Ziel, das spürte ich deutlich. Es wurde immer heller, und ein
frischer Wind machte sich bemerkbar. Je weiter es nach unten ging, desto besser
wurde die Luft.
Ich fragte mich, wie wohl die unterirdische
Totenstadt belüftet wurde. Doch ich vergaß darunter nicht die wichtigste aller
Fragen, die ich Samantha noch stellen wollte.
»Warst du je Zeuge solcher Opferungen oder drohtest
du selbst, ein Opfer zu werden?«
»Nein, dafür bin ich wohl zu sehr die Seelentrösterin
und ›Inventar‹ des Fürsten. Auch bin ich Gott sei dank bis jetzt von solchen
schauerlichen Demonstrationen verschont geblieben. Aber ich habe all das krude
Zeug studiert, das Savoyen täglich liest. Und ich erfuhr, daß schon die alten
Ägypter, aber auch viele andere mystisch geprägte Kulturen das Ohr als das Tor
zur Seele betrachteten. Nach diesen Überlieferungen verläßt die Seele den
Kadaver durch das Ohr. Und wenn beim Sterben etwas nachgeholfen wird, kann die
gute Seele ja vielleicht genau an dieser Stelle abgepaßt werden. Verstehst du
jetzt, worum es geht? Alles paßt zusammen, Francis, vor allem was die heutige
Nacht betrifft. Ein Bote übermittelte Savoyen, daß um diese Uhrzeit wieder ein
Ritus vollzogen würde.«
»Und was wollen wir unternehmen, wenn es soweit
ist?
Vielleicht das mobile Einsatzkommando von World
Wide Fund for Nature alarmieren?«
»Ich weiß nicht, was du dagegen unternehmen
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