Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12
die Enzyklika des Papstes weit in den
Schatten stellen. Im besten Falle verstehen wir sie nicht und im schlechtesten
lassen sie uns nur mit dem Kopf schütteln.«
»Den muß ich unbedingt kennenlernen!« rief ich so
laut, als sei irgendwo Feuer ausgebrochen.
» Quare? « erwiderte sie und starrte mich
entgeistert an.
»Das fragst du? Ich suche nach einem Wunder in Rom,
Sancta, und Miracolo ist das einzige Wunder, dessen ich habhaft werden kann.«
» Iste non est miraculum, sed vir
stultissimus! «
»Mag sein, daß er ein Vollidiot ist. Aber mein
untrüglicher Instinkt sagt mir, daß von einem Gespräch mit ihm viel abhängen
könnte. Doch wie um alles in der Welt sollte es zu einem Treffen zwischen ihm
und mir kommen? Er ist ein Star, und ich bin nur ein elender Tourist.«
»Keine Sorge, Francis.« Sancta lächelte milde wie
eine Mutter über ihren kleinen Sprößling milde lächelt, wenn dieser um den
Besuch des Weihnachtsmannes bangt, weil er das Jahr über nicht allzu brav
gewesen war.
»Ein Star braucht Publikum, und Miracolo hat wenig
davon. Er wird dich mit absoluter Sicherheit empfangen.
Und wie du auf dem simpelsten Wege zu ihm gelangst,
verrate ich dir, wenn du mich für immer verläßt.«
Jetzt lächelte sie nicht mehr. Im Gegenteil, über
ihr Gesicht schoben sich ganze Wolkenfelder.
»Bist du denn so einsam, Sancta?«
»Manchmal«, sagte sie und versuchte Haltung zu
bewahren. Aber ihre Schnurrhaare vibrierten, und um das Maul stahl sich ein
hartnäckiges Zittern. Sie stand kurz davor, in Tränen auszubrechen. »Dieses
Areal eignet sich wie kein anderes als Tummelplatz für unseresgleichen, und
trotzdem höre ich wochenlang, bisweilen über Monate hinweg kein einziges
Miauen. Es gibt hier für die Brüder und Schwestern nichts zu holen. Die
Touristen wagen ja vor lauter Ehrfurcht nicht einmal ein halbangegessenes
Wurstbrot wegzuwerfen. Alles ist schön anzusehen, doch diese Schönheit ist
denen zu verdanken, deren Knochen schon vor Jahrtausenden zu Staub zerfallen
sind. Das Leben selbst lebt hier nicht mehr. Ich aber bin lebendig, und das ist
meine Tragödie.«
Mein Herz zog sich bei ihren Worten zusammen. War
sie mir vorhin wie eine Schönheitskönigin vorgekommen, so wußte ich nun, daß
sie in Wahrheit eine Königin ohne Untertanen war. Wie traurig mußte ihr zumute
sein, wenn sie den ganzen Tag in all der Pracht umherschlenderte und dabei kein
einziges Mal einem Artgenossen begegnete?
Ohne den überstrapazierten Vergleich vom Goldenen
Käfig zu bemühen, ahnte ich, daß selbst strahlende Schönheit und großer
Reichtum etwas derart Alltägliches wie ein zärtliches Wangenreiben oder eine
kleine Rauferei um den besten Sonnenplatz nicht ersetzen konnten. Nein, Sancta
lebte weder in einem Goldenen Käfig noch wurde sie von irgendeinem Scheusal
gefangengehalten. Sie war ihr eigenes Gefängnis, das war der springende Punkt!
Das Forum, die alten Sagen und Legenden, die lateinische Sprache, die ganze
verdammte versunkene Welt hatten auf sie abgefärbt und aus ihr ein Gespenst gemacht.
Sie wollte leben, allein es fehlte ihr der Mut zu den Lebenden hinauszugehen.
»Sancta, glaube mir, wenn ich dich für immer
verlasse, dann wird auch die Liebe mich für immer verlassen. Das wäre mein
Verhängnis! Nachdem ich diese leidige Sache hinter mich gebracht und das
Blutvergießen an unserer Art gestoppt habe, werde ich wieder zu dir
zurückkehren. Das schwöre ich! Allerdings solltest du auf Schwüre und
Versprechen nicht bauen und dir das Warten ohnehin schnell abgewöhnen. Wenn du
wirklich leben willst, mußt du dieses Totenreich verlassen. Das empfiehlt dir
dein Therapeut. Da draußen erwarten dich unzählige Gefahren, das Böse lauert an
jeder Ecke, und Enttäuschungen gibt es wie Sand am Meer. Zugleich aber wirst du
ausgerechnet von jenen Teufeln entschädigt werden, die für all das Übel
verantwortlich sind. Warum? Weil in ihren Adern noch Blut fließt. Dir werden
etliche Chancen begegnen und schließlich das wahre Glück. Und du wirst
erkennen: Das Forum Romanum ist schön, doch das Leben unter den Lebenden ist
noch schöner!«
Das Lächeln kehrte wieder in ihr Silbergesicht
zurück.
Gleichwohl konnte es ein funkelndes Tränenrinnsal
darin nicht verbergen. Vielleicht war es die Trauer über die vielen ins Land
gegangenen Jahre, in denen sie ähnlichen Gedanken nachgehangen hatte, ohne sich
je getraut zu haben, sie in die Tat umzusetzen.
»Nun heißt es also Vale! Francis?« sagte
sie.
»Nein,
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