Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12
sagte Sancta ungerührt, als sei das
die normalste Sache der Welt. Ich wollte am liebsten auf der Stelle vor Scham
im Erdboden versinken, zumindest aber bis Bordeauxviolett erröten, wenn dies
unserer Art möglich gewesen wäre. Denn bei dem Gedanken, daß wir bei unserer
hitzigen Liebelei in der Morgendämmerung heimlich gefilmt worden waren, verkrampfte
ich mich so stark, daß ich mich beinahe in eine der uns permanent streifenden
Statuen verwandelt hätte. Sancta indes schien es nichts auszumachen, daß sie
auf Schritt und Tritt beobachtet wurde. Warum sollte es auch, war sie doch
damit aufgewachsen.
In der Nähe des Titusbogens schlug meine Geliebte
plötzlich einen Haken in ein von wildem Buschwerk bewachsenes Gelände. Wir
krochen durch dichtes Gestrüpp, machten uns klein und quetschten uns wie
Flundern unter über der Erde wuchernden Wurzeln hindurch, und schließlich
kämpften wir gegen lianenartige Pflanzenbehänge, die den Vergleich mit einem
richtigen Dschungel nicht zu scheuen brauchten. Plötzlich standen wir mit den
Pfoten unversehens auf Glas. Es war Panzerglas, zirka fünf Zentimeter dick, rechteckig
und von solcher Ausdehnung, daß man locker ein Häuschen darauf hätte errichten
können.
Mein Blick gewahrte eine im Erdboden verborgene
High-Tech-Zentrale. Auf den unzähligen Monitoren an einer Wand erschienen die
Gesichter der neuankommenden Besucher. Die bewegten Bilder froren in
Sekundenschnelle ein, und ein Computerprogramm berechnete die Maße der
spezifischen Gesichtsmerkmale und analysierte Haut- und Haarfarbe anhand von
hellen Lichtpunkten und aufleuchtenden Linien. Danach verwandelten sich die
Gesichter in nur mehr aus groben Strukturen und blinkenden Punkten bestehende
Abstraktionen und verschwanden in einem Fenster im oberen Winkel des
Bildschirms. Auf anderen Monitoren ratterten Zahlenreihen durch. Auf den
nächsten wiederum wurde mit Hilfe eines speziellen Programms, das
dreidimensionale geometrische Muster erkannte, fortlaufend das aktuelle
Aussehen und die Position der einzelnen Ruinenelemente mit den alten Daten auf
Archivmaterial verglichen. Diese elektronische Total-Überwachung lief fast
selbständig ab, denn am Kontrollpult mit den vielen Reglern und Tasten saß
lediglich ein Wachmann in blauer Uniform, der sich hin und wieder dazu
bequemte, einen Telefonanruf entgegenzunehmen, ansonsten aber vor Langeweile
gähnte.
»Jetzt kennst du das Geheimnis, weshalb das
römische Imperium immer und ewig an seinem angestammten Platz bleiben wird,
Francis«, sagte Sancta, und in ihrem Ausdruck war der Stolz auf ihr Herrchen
und dessen Wundertaten kaum zu verkennen.
»Das ist ja in der Tat sehr beeindruckend, Sancta«,
erwiderte ich. »Gegen deinen Umberto war George Orwell ja ein phantasieloser
Kleingeist. Weißt du vielleicht, in welchem technischen Bereich er geforscht
hat, bevor er sich der Religion zuwandte?«
»Ich glaube, er hat sich recht lustige Dinge ausgedacht.«
»Lustige Dinge?«
»Er besitzt unter der Ponte Rotto, der kaputten
Brücke neben der Ponte Palatino am Tiber eine karge Hütte. Aber sein richtiges
Zuhause ist ein VW-Bus, dessen Baujahr an die Zeit des Gallischen Krieges
heranreichen dürfte. Darin bewahrt er unter anderem die wenigen Erinnerungen an
sein früheres Leben auf. Ich bin einmal hineingegangen und entdeckte unter dem
überall zerstreut liegenden Gerümpel vergilbte Hefte und lose Blätter mit
wissenschaftlichen Aufzeichnungen.«
»Und?«
»Nun, wie ich schon sagte, er hat sich zu jener
Zeit mit albernen Dingen beschäftigt. Er ist zum Beispiel der Frage
nachgegangen, wie man die Beschichtung von wasserabweisenden Pflanzenblättern
synthetisieren und das Resultat auf moderne Autolacke übertragen könnte. So ein
Kram eben.«
Zwischen einer Säulenreihe an der Schwelle zur
Piazza del Colosseo hieß es schließlich Abschied nehmen. Nach dem Verlassen des
verborgenen Glasbunkers hatte mich Sancta zielsicher hierher gelotst. Der
elliptische Platz bildete quasi den Abschluß des Forum Romanum. Im Zentrum
erhob sich das Kolosseum. Man merkte es meiner Geliebten an, daß sie sich
scheute, ihr Geisterreich zu verlassen und auch nur eine Pfote außerhalb dessen
Grenzen zu setzen. Denn obwohl es sich bei dem mit Kopfsteinpflaster angelegten
Platz um eine autofreie Zone handelte, die als Sammelstelle für Touristen und
als Flaniermeile für Spaziergänger diente, machte sich in ihrem Silberantlitz
Nervosität breit. Ihr hypnotisierender Duft drang immer noch in
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