Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12
ein besessener Tüftler, der in
Abgeschiedenheit seinen skurrilen Projekten nachgehen wollte und nebenher ein
bißchen Wassersport betrieb. Ein liebeswerter schräger Typ eben. Ein bißchen so
wie Gustav. Hatte Sancta nicht erwähnt, daß er unsere Art abgöttisch liebte?
Wieso sollte er dann solche bestialischen Dinge tun? Um das herauszubekommen,
mußte ich Antonio folgen. In einem Moment außerirdischer Kühnheit tat ich genau
das. Ich sprang auf die Fensterbank und rauschte in die Hütte hinein.
Der erste Eindruck war erwartungsgemäß. Ich befand
mich in der Werkstatt eines Daniel Düsentrieb, in der es außer einer
Schlafcouch und einem Kühlschrank aus Noahs Tagen keinen weiteren Hinweis auf
ein menschenwürdiges Wohnen gab. Eine altmodische schwarze Leselampe
beleuchtete den rechten Teil des Raumes, den zwei Tapeziertische dominierten.
Auf diesen herrschte eine unglaubliche Konfusion aus Elektronikbauteilen,
Kabelrollen unterschiedlicher Farbe, undefinierbaren Apparaten, Lötkolben,
Meßgeräten mit kleinen Schwarzweiß-Monitoren, einem wahren
Schraubenzieher-Mikado und etlichen Handbüchern.
Daneben haufenweise Platine-Tafeln,
Mikroprozessoren, ausgeweidete Videoaugen und kleine Gasflaschen, alles wie
auseinandersprengt und überall chaotisch verteilt.
Einige Stücke warfen lange Schatten an die Wand,
was die Wirkung des Durcheinanders noch verstärkte.
Ich wagte mich behutsam in dieses Schlachtfeld
hinein, stets darauf bedacht, mit meinen empfindlichen Pfotenballen nicht auf
irgend etwas Spitzes zu treten.
Dann sprang ich auf die Tische und inspizierte und
beschnüffelte jedes einzelne Exponat. Obwohl der erste Eindruck haargenau dem
von Sancta gezeichneten Bild eines nur mit seiner Obsession verheirateten
Technik-Freaks entsprach, und obwohl keine Anzeichen von blutigen Exzessen
festzustellen waren, traten nach und nach irritierende Details zutage.
Vergilbte Zeitungsausschnitte, ausgerissene Seiten
aus Bildbänden und private Fotografien waren mit Klebeband und meist schief an
den Wänden befestigt worden. Das Thema, welches die einzelnen Teile dieser
Kollage miteinander verband, schimmerte nur langsam durch. Es waren Aufnahmen
von alten Gemälden, die den Einmarsch der Kreuzritter in Jerusalem heroisierten
oder den Paradiesgarten darstellten; Pressefotos von dem katastrophalen
Anschlag auf die Twin Towers in New York: die Höllenexplosionen aus den
Glasfassaden, Menschen, die mit zappelnden Gliedern in den Abgrund stürzten,
die in sich zusammenbrechenden Kathedralen der westlichen Welt und daneben das
milde lächelnde Gesicht Osama bin Ladens und anderer arabischer Terroristen.
Dann wieder Fotos mit familiärem Motiv: eine junge
Familie mit drei kleinen Kindern im Garten eines Hauses, dessen Hintergrund aus
der unverwechselbaren Toskana-Landschaft mit ausgedehnten Weinfeldern bestand.
Dieselbe Familie am Badestrand, die Kinder wirkten
jetzt etwas größer, oder auf dem Rummelplatz. Und eine italienische
Begräbnisprozession mit viel Pomp – und drei Kindersärgen. Obwohl der
unglückliche Vater dieser Kinder in allen Bildern noch sehr jung aussah, er
also seit der Entstehung der Bilder um einiges gealtert sein mußte, vermeinte
ich ihn von irgendwoher zu kennen. Ich hätte schwören können, daß ich dem Mann
noch vor ein paar Tagen begegnet war. Gleich darauf wurde es wieder heiter.
Eine unendlich scheinende Fotoserie zeigte Sancta in den bezauberndsten Posen.
Sancta auf Säulenrudimenten im Forum Romanuni, Sancta schlafend auf dem
Gigantenkopf einer Statue, Sancta vor dem Saturn-Tempel …
Plötzlich entdeckte ich eine ziemlich zerknitterte
und schon braun gewordene Graphik, deren Anblick in mir nacktes Schaudern
auslöste. Wäre durch das Fenster der Blitz hineingefahren und hätte mich direkt
am Schädel erwischt, die Wirkung hätte nicht verheerender sein können: Das
medizinische Bild stellte minutiös den Querschnitt eines Felidae-Innenohres
dar. Das Allerschrecklichste aber waren die vielen Blutflecke auf dem Papier!
»Francis!«
Ich riß mich herum und versuchte mit hämmerndem
Herzen, die Richtung, aus der Antonios Stimme gekommen war, zu orten. Dabei
merkte ich, wie viel wegen des schwachen Lichts im Verborgenen geblieben war.
Der linke Teil des Raumes lag vollkommen im Dunkeln, und hätte mir das grün
leuchtende Augenpaar in der Ferne nicht als Wegweiser gedient, ich hätte mich
dort glatt verlaufen. Ich sprang vom Tisch herunter und begab mich zu Antonio.
Auch er stand auf einem
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