Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12
mich
nicht gewundert, wenn er in seiner Freizeit zur Entspannung krachend mit den
wurstigen Fingern geknackt hätte. Ihn als »brachial« zu beschreiben wäre eine
glatte Untertreibung gewesen.
Der andere schien den vollkommenen Gegensatz darzustellen,
machte jedoch mitnichten einen weniger abstoßenden Eindruck. Der extrem schmale
Lulatsch mit den starren Augen einer Leiche war so blaß, daß nicht einmal der
warme Schein aus dem Kamin etwas zur Intensivierung seiner Gesichtsfarbe
beitragen konnte. Der Kopf besaß die Form einer längs liegenden Honigmelone,
die großen, abstehenden Ohren verliehen ihm etwas von einem geschrumpften
Elefanten. Die gesamte Physiognomie wirkte geradeso, als wäre sie von einer
Vakuumpumpe nach innen gesogen worden.
Die beiden trugen blütenweiße Kittel wie Ärzte, bloß daß
diese eher Dienstuniformen ähnelten. Der Dünne schwenkte in der Hand eine Art
Jacke, ebenfalls weiß, allerdings offenbar aus strapazierfähigem Segeltuch
geschneidert und mit absonderlichen Ärmeln, aus denen seilartige Bänder
wuchsen. Der panzerartige Kerl warf mir einen amüsierten Blick zu und stampfte
dann mit dröhnendem Schritt auf Refizul zu.
»Na Refi, hast du wieder einen behaarten Kameraden
gefunden, mit dem du ein Schwätzchen halten kannst?« Er schaute dem Alten mit
solch arroganter Ironie ins Gesicht, als habe er ein schwachsinniges Kind vor
sich. Refizul drehte den Kopf zu mir und schaute mich resigniert an, als wolle
er sagen: Was habe ich dir gesagt?
»Kümmere dich um den Kleinen, Zack«, befahl der Panzermann
dem Schmalen. »Ich glaube, den können wir im Bunker gut brauchen.«
Bevor ich wußte, wie mir geschah, stand Zack schon bei
mir, packte mich am Nacken, hob mich hoch und umklammerte mich fest. Dann
schleuderte er die weiße Jacke zu seinem Kumpel. Der knöpfte bereits den
düsteren Umhang von Refizul auf, worunter der arme Mann nichts weiter als lange
Opa-Unterwäsche trug.
»Aber wieso denn?« protestierte er, während er sich auf
diese würdelose Art ausziehen ließ. »Ich wurde als geheilt entlassen. Da drüben
irgendwo müssen die Entlassungspapiere liegen. Dreißig Jahre sind genug. Ich
kann nicht wieder in den Bunker zurück.«
»Jetzt krieg hier keinen Zusammenbruch, Refi. Denk an deine
Pumpe«, sagte der Panzermann im beruhigenden und doch höhnenden Tonfall. Er
hatte inzwischen Refizul komplett ausgezogen und stülpte ihm von vorne die
weiße Jacke über. Der Alte ließ es sich gefallen, was von großer Weisheit
zeugte, hätte sein Peiniger ihm doch bei geringster Gegenwehr mit bloßen Händen
das Genick brechen können. »Von geheilt war nie die Rede. Sagen wir mal so:
Wenn du ein Verbrechen begangen hättest, wäre der Begriff ›auf Bewährung‹ bei
deiner Entlassung zutreffend gewesen. Aber das hast du ja nicht. Davon gehe ich
jedenfalls aus. Hat dich der Oberdoc nicht tausendmal ermahnt, daß du immer die
gelben Pillen nehmen sollst?« Er schnalzte dreimal kurz mit der Zunge. Dann
ergriff er die langen Enden der Jackenärmel und verschnürte Refizul damit, so
daß dessen Arme vor der Brust über Kreuz festgezurrt wurden.
»Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen«, beteuerte
er kraftlos.
»Doch, doch, das hast du, Refi«, sagte der Panzermann,
packte ihn am Nacken und führte ihn zur Tür. Zack und ich in seinen Klauen
folgten den beiden. »Schau dir doch mal den Schrott an, den du dir wieder
zusammengeklaubt hast. Sieht aus wie das Labor — eines Bekloppten? Willst
wieder mit Füchsen und Eulen reden, was? Ich glaube, wir müssen dich noch ein
paar Jährchen weiter heilen. Danach bist du eh reif für die Pflege.«
Draußen etwas abseits der Villa parkte ein schwarzer
Kastenwagen, dessen doppelflüglige Hecktür der Panzermann mit einem Handgriff
öffnete. Er stieß den Alten hinein, und ich flog aus Zacks sensiblen Händen
hinterher. Obwohl es drinnen ziemlich düster war, merkte ich schnell, daß wir
uns in einer Art Zelle befanden. Allein ein enger, vergitterter Sehschlitz
erlaubte etwas Einblick in die Fahrerkabine. Seitlich gab es zwei karge Bänke
zum Sitzen. Decke und Wände waren mit einer harten Gummischicht gepolstert, in
Abständen baumelten Gurte und Riemen zum Festbinden der »Fahrgäste«.
»Ich muß dir etwas gestehen, lieber Freund«, sagte
Refizul, als unsere fürsorglichen Helfer vorne eingestiegen waren und den Wagen
starteten. Er sah in seiner blöden Jacke mit den über Kreuz verbundenen Armen
lächerlich und mitleiderregend
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