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Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Titel: Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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revolutionäre Veränderung auf die moralischen
Fundamente auswirken? Vor allem aber auf die Geschäfte? Ist einem
Lastwagenfahrer sein Job überhaupt zuzumuten, wenn er aus dem vollgepferchten
Auflieger hinten statt diffusem Muhen und Blöcken ständig die Schmerzens- und
Hilfeschreie der geschundenen Kreaturen hört und sie auch noch versteht? Was
macht der Herr Professor im Versuchslabor, wenn ihm der Affe, den er regelmäßig
mit irgendwelchen Medikamenten und Chemikalien traktiert, offen ins Gesicht
fragt, ob er sich für diese an ihm begangenen Verbrechen nicht schäme? Und was
wird aus dem Industrieboß, der bei Fleisch nur an Profit und Absatzmärkte
denkt, wenn seine Konsumenten sich von der Ware Tier abwenden? Ach, und noch
etwas: Was passiert, wenn Vierbeiner ihre Rechte vor Gerichten erstreiten
wollen, die sie nunmehr im Wortlaut erfassen? Nein, die direkte Rede mit Tieren
hätte Auswirkungen auf unsere Gesellschaft, die man sich nicht auszudenken
vermag. Denn damit wäre bewiesen, daß auch Tiere eine Seele besitzen.«
    »Mit Verlaub«, sagte ich, »aber offen gesagt bin ich auch
nicht gerade Vegetarier.«
    »Weil es deine Natur ist. Aber der Mensch hat sich von
seiner, von jeglicher Natur so weit entfernt wie ein erkalteter Planet von der
Sonne. Damals wie heute will man unbedingt verhindern, daß jemand die Sprache
der Tiere beherrscht und diese Kunst dann verbreitet.«
    »Wer ist man?«
    »Nun, laß deiner Phantasie bei der Beantwortung dieser
Frage freien Lauf. Ein paar Kreise, die an so einer ungemütlichen Sache alles andere
als interessiert sind, habe ich ja schon genannt. Doch so schlau, wie du bist,
fallen dir bestimmt noch ein paar andere ein. Auf deren Druck hin wurde ich vor
dreißig Jahren aus dem Verkehr gezogen.«
    »Puh!« Ich trottete nachdenklich zu ihm und setzte mich zu
seinen Füßen auf die Hinterbeine. Unterdessen begann er, sich eine neue
Zigarette zu drehen. »Zwei Dinge kapiere ich allerdings immer noch nicht,
Refizul. Wieso bist du der einzige Mensch, der mit mir reden kann? Und obwohl
dein Lebensziel allein aus der Verwirklichung dieses einen Ziels bestand, hast
du nicht gerade einen Freudentanz aufgeführt, als der Fall eintrat. Ich meine,
köpfen Menschen bei derart sensationellen Erfolgen nicht die beste Flasche
Champagner oder rufen ersatzweise irgendeinen Sender an, um sich den nächsten
Nobelpreis zu sichern?«
    Wieder steckte er sich die Selbstgedrehte an einer
brennenden Kerze an und atmete den Rauch genüßlich aus. »Ich bin bestimmt nicht
der einzige Mensch, der die Sprache der Tiere beherrscht. Sonst hätte ich
meinen Kampf schon längst aufgegeben. Nein, mein Lieber, jeder Mensch kann es.
Wir alle sind Geschöpfe dieser einen Welt, und einst verstanden wir einander,
in Eintracht und gegenseitiger Achtung. Aber dann ... irgend etwas muß passiert
sein, eine Art Sündenfall, der uns geistig und sprachlich voneinander trennte.
Man muß die Menschen wieder für die Tiere sensibilisieren, für ihre Sprache,
aber auch für ihre Würde. Deshalb hat sich meine Überraschung auch in Grenzen
gehalten, als mein sehnlichster Wunsch in Erfüllung ging. Weshalb sollte ich
von etwas über die Maßen überrascht sein, das ich die ganze Zeit erwartet
habe?«
    »Da fällt mir noch etwas ein«, sagte ich. »Ich glaube, daß
ich es in einem uralten Buch aufgeschnappt habe. Waren diese Sumerer nicht das
Völkchen, das auch die Figur des Teufels erfunden hat?«
    »Ja, aber das ist eine andere Geschichte, die ...«
    Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen, und zwar mit einem
solch ohrenbetäubenden Rumms, daß ich vor Schreck wie ein gezündeter Böller
senkrecht nach oben schoß. Ein Poltern erfüllte den ganzen Raum. Refizul und
ich fuhren herum in Richtung des Lärms. Zwei Männer standen in der
aufgetretenen Tür vor der tiefblauen Sommernacht, durch die das Licht der
glänzenden Sterne hereinschien.
    Der eine war ein Brocken von einem Kerl. Es war schwer zu
unterscheiden, ob es sich bei dem Typ mit der Statur eines Ochsen um einen
Übergewichtigen handelte oder um einen verkappten Kugelstoßer, dessen
Muskelpakete ins Animalische ausgeartet waren. Er besaß einen kantigen,
schwarzhaarigen Schädel, der ohne Hals direkt in einen panzerartigen Körper
überging. Sein aufgedunsenes Gesicht war übersät von Pockennarben, sein durch
dunkle Pupillen ausgesandter Blick konnte gewiß glühenden Stahl zum Vereisen
bringen. Arme und Beine hatten den Umfang von Baumstämmen, und es hätte

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